Die SPD in Düsseldorf „Schulz-Effekt“: Euphorie bei Düsseldorfs Genossen

Der „Schulz-Effekt“ kommt der lokalen SPD gerade recht. Doch auf den neuen Kanzlerkandidaten allein will man sich nicht verlassen.

Die SPD in Düsseldorf: „Schulz-Effekt“: Euphorie bei Düsseldorfs Genossen
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Es dauert 20 Minuten, da fällt der Name Martin Schulz zum ersten Mal. Die Sozialdemokraten des Ortsvereins Düsseldorf Mitte-Nord haben sich im Raum eines rustikalen Lokals eingefunden. Knapp 30 Genossen sind zur Ortsvereinssitzung gekommen, die Stimmung ist gut und es wird viel gelacht. So gut, dass dann sogar der Name Willy Brandt in Zusammenhang mit dem neuen Kanzlerkandidaten gebracht wird. Nicht ganz ernst gemeint, natürlich. Doch die Euphorie über den neuen Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist zu spüren. Nicht nur hier in Düsseldorf.

Bei Punkt 1 der Tagesordnung steht dann auch gleich das Urteil über Schulz an. Es fällt sehr gut aus. Matthias Herz ist Vorsitzender des Ortsvereins und sitzt im Stadtrat. Mit dem Satz: „Ich habe keine Parteibücher mehr und die werden auch in der Bundesrepublik immer weniger“, eröffnet er die Sitzung. Rund 2000 neue Sozialdemokraten durften die NRW-Genossen in den vergangenen Wochen begrüßen. Allein hier im Ortsverein waren es 11 seit Mitte Januar. Drei Neue sind heute gekommen. Einer von ihnen ist Jens Iven. Er hat früher schon mal für die SPD gekämpft. Nach ein paar Jahrzehnten Pause ist er nun zurückgekommen. „Schulz hat mich motiviert.“ Eingetreten ist er noch nicht. „Aber sobald es neue Parteibücher gibt, hole ich das nach“, verspricht er und hebt seinen Daumen.

Dass die Stimmung gut ist, sei klar, findet Matthias Herz. „Die Zahlen sprechen Bände.“ Tatsächlich zog im Bund vergangenen Sonntag die SPD in einer Umfrage sogar an der CDU vorbei. Auch in NRW steigen die Umfragewerte. „Das gibt natürlich Rückenwind“, sagt Matthias Herz, der die Landtagswahl Mitte Mai im Blick hat.

Wohl die wenigsten haben damit gerechnet, dass ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat zu Beginn des Wahljahres 2017 einen derartigen Wirbel auslösen wird. Die Zahl 20 Prozent schwirrte durch die bundesdeutsche politische Debatte. Auch viele Sozialdemokraten, traditionell eher stolz auf ihre Partei, waren doch überrascht. „Wir sind selbst verwundert, welche Euphorie ausgelöst wurde“, sagt der Vorsitzende.

Herz sieht den Grund darin, dass bei Martin Schulz das Wahlprogramm besser mit der Person zusammenpasse. Viele anwesende Mitglieder sind sich sicher, dass der neue Parteivorsitzende noch mehr für soziale Gerechtigkeit, gegen Rechts und für Europa kämpfen wird. Seine Biografie wird hier sehr positiv aufgenommen. Die Pempelforter Sozialdemokraten jedenfalls sind selbstbewusst. Dem politischen Gegner attestieren sie Nervosität, die zu den zuletzt öffentlich gewordenen persönlichen Angriffen auf die Person Schulz führten. Die Forderung eines Genossen nach einem Ende des „Schmusekurses“ mit der CDU findet viel Zustimmung.

Marina Spillner ist seit fast 40 Jahren in der SPD und Bezirksbürgermeisterin für das Zentrum der Stadt. Mit 16 Jahren trat sie schon den Jusos bei. „Jetzt fühle ich mich auch wieder richtig wohl in der Partei“, sagt sie. Das war nicht immer so. „Ich freue mich sehr, dass die Agenda 2010 korrigiert werden soll.“

Nicht nur die Bezirksbürgermeisterin erhofft sich das. Schröders Agenda-Politik ist am Abend immer wieder Thema unter den Genossen, für viele ist sie eine schmerzhafte Erinnerung. Schulz’ erste Agenda-kritische Äußerung wird hier positiv aufgenommen. „Ich habe mich auch als Kommunalpolitikerin gefreut, da Martin Schulz weiß, wie wichtig Politik auf der kommunalen Ebene ist“, fügt die Bezirksbürgermeisterin hinzu.

Dem Eindruck freilich, dass die gute Stimmung komplett an dem Namen Schulz hängt, wollen die Genossen widersprechen. Schmerzhaft sind die Erinnerungen an vergangene Wahlen, bei denen sich anfängliche Euphorie in Misserfolg auflöste. Eine Genossin warnt vor zu starker Personalisierung. Sie findet, erfolgreich kann man langfristig nur mit thematischen Diskussionen sein. Ein Neuling ist noch kurz vor dem Schulz-Hype eingetreten. „Ich bin nicht wegen einer Person gekommen, sondern weil wir soziale Demokraten sind und gegen Ängste kämpfen“, erklärt Christoph Backhaus. Matthias Herz merkt an, dass soziale Gerechtigkeit auch schon vorher ein zentrales Thema der SPD gewesen sei.

Trotzdem setzten die Sozialdemokraten hohe Erwartungen in die Person Schulz. Ob er sie erfüllen wird, bleibt abzuwarten. Viele seiner Positionen sind noch offen, nicht alles, was sich die Genossen erhoffen, wird er einhalten können. Doch derzeit bringt Schulz die SPD in Kampfstimmung und zu Selbstbewusstsein. „Ich habe hier lange nicht mehr so eine lebhafte Diskussion mitbekommen“, sagt der Ortsvereins-Vorsitzende.

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