Wrestling Schräge Typen und wilde Frisuren

Wrestling-Stars begeistern im Dome: Rund 5000 Zuschauer sind beim Spektakel der Muskelmänner und -frauen aus den USA dabei.

Wrestling: Schräge Typen und wilde Frisuren
Foto: Anke Hesse

Düsseldorf. Die Beleuchtung geht aus, die Halle ist für einen kurzen Moment in Dunkelheit getaucht. Aus den Boxen dröhnen plötzlich Klänge einer Balalaika, die Sekunden später von einer ohrenbetäubenden Basslinie unterstützt werden, rund 5000 Zuschauer jubeln lautstark — dann erscheint ein 1,80 Meter großer Mann mit einem Mikrofon auf der schwarzen Rampe unterhalb der riesigen und jetzt in bunten Farben leuchtenden LED-Leinwand. Einzug für Enzo Amore und seinen noch einmal 30 Zentimeter größeren Partner Big Cass.

Amore sieht aus, als hätte er mit dem Finger in der Steckdose geschlafen: Seine blonden Haare stehen zu Berge, die Hose, die er trägt, ist ebenso grell wie die Farben auf der Leinwand und würde bei jedem Mode-Designer Übelkeit auslösen. Dann zieht der Mann aus dem amerikanischen New Jersey seine übliche Nummer am Mikrofon ab und reißt die Fans im Rather Dome von ihren Sitzen. Die meisten von ihnen kennen die „Catchphrases“, so etwas wie charaktertypische Standardsätze eines Wrestlers, auswendig und grölen mit.

Im in der Hallenmitte platzierten Ring mit weißen Seilen und grauer Matte angekommen, wollen sich die beiden „Tag Team“-Partner Enzo und Cass über ihre Gegner lustig machen. Doch dann erscheinen diese bereits vorne auf der Rampe, quittiert von lautstarken Buhrufen des Publikums und begleitet von einer unheilvollen Einzugsmusik, die an militärische Versammlungen im Ostblock erinnert. Die Musik passt perfekt zum aus Bulgarien stammenden Rusev, der gemeinsam mit seinem Partner Jinder Mahal und seiner Ehefrau Lana die Bösewichte in dieser Auseinandersetzung verkörpert. Der Klang der Ringglocke, die den Kampfbeginn signalisiert, geht durch Mark und Bein.

Die Show von World Wrestling Entertainment ist für viele Fans in der Halle so etwas wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Dass die Ausgänge der Kämpfe abgesprochen sind, wissen selbst die Kleinsten. Störend ist dieser Umstand offenbar für niemanden. 5000 Zuschauer gehen am Mittwochabend drei Stunden lang in der Mischung aus sportlicher Höchstleistung und Seifenoper vollends auf — das Sports Entertainment aus den USA packt den Zehnjährigen in Reihe fünf ebenso wie zwei Frauen in Ringnähe, die vom Alter her die Mutter des Zehnjährigen sein könnten.

Nach etwas mehr als zehn Minuten voller Action, bei der mit voller Absicht nicht jeder ausgeführte Schlag sein Ziel trifft, setzen sich Enzo und Cass schließlich gegen ihre Kontrahenten durch — mit dem „Rocket Launcher“ („Raketenwerfer“), bei dem Enzo Amore auf das oberste Seil klettert und von seinem Kumpel im hohen Bogen auf den in der Ringmitte liegenden Jinder Mahal geschmettert wird. „Finishing Move“ nennt sich die finale Aktion, die bei jedem Wrestler eine andere ist. Der Ringrichter wirft sich auf die Matte und schlägt mit der flachen Hand auf den Boden: einmal, zweimal, dreimal. Erneut ertönt die Ringglocke, die dieses Mal allerdings im tosenden Jubel der Fans untergeht. Die Fan-Lieblinge haben diesen immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse gewonnen, während Jinder Mahal und Rusev sich am Boden krümmen und schwere Schmerzen simulieren.

Die lautesten Sprechchöre gibt es in einem späteren Match für Cesaro. Der Schweizer, der mit seinem irischen Partner Sheamus gegen zwei andere „Tag Teams“ verliert, genießt die Ovationen der Fans sichtlich. Als er seinen Gegner Karl Anderson zwischendurch an den Füßen packt, stehen die Zuschauer auf. Cesaro blickt sich in der Halle um und macht mit seinem linken Zeigefinger eine kreisende Bewegung - das Zeichen für den „Cesaro Swing“. Er hält Anderson an beiden Beinen fest und stemmt ihn so in die Luft, dann dreht er sich zehn Mal um die eigene Achse, bevor er den schwindelig gedrehten Gegner fallenlässt. Doch auch Wrestling ist längst keine reine Männer-Domäne mehr, wie auch dieser Abend beweist. Technisch anspruchsvoll und mit vielen Haltegriffen und Ringeraktionen gespickt verläuft der Kampf zwischen der amtierenden Titelträgerin Bayley und Charlotte Flair. Am Ende jubelt Bayley, die mit ihrem Seitenpferdeschwanz, bunt-glitzernder Ringkleidung und Zahnpasta-Lächeln wie das nette Mädchen von nebenan wirkt. Auf dem Weg zurück zur Rampe klatscht sie die Menschen ab und umarmt ihre jüngsten Fans — ein Markenzeichen ihres Charakters. „I’m a Hugger“ steht auf ihrem T-Shirt („Ich bin eine Umarmerin“). Image ist alles, die Superstars bleiben stets in ihrer Rolle. Dazu gehört auch, dass ein kleines Mädchen in der zweiten Reihe den Champion-Gürtel von Bayley hochhalten darf, während Dutzende Erwachsene sich zeitgleich für ein Selfie den Arm verrenken.

Nach drei Stunden geht das Licht in der Halle wieder an. Die strahlenden Augen der kleinen Fans tauchen den Dome beinahe in ein noch helleres Licht. „Gute Show, nette Unterhaltung“, sagen dagegen die Erwachsenen, während die ersten Bauarbeiter bereits den Ring auseinander nehmen, in dem kurz zuvor noch 120-Kilo-Kolosse mit Fäusten, Stühlen und Stöcken aufeinander einschlugen.

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