Schau zu Anni Albers im K 20: Pionierin der webenden Kunst

Bislang stand Anni Albers im Schatten ihres berühmten Mannes Josef. Zu Unrecht, wie nun eine Ausstellung in der Kunstsammlung am Grabbeplatz zeigt.

Schau zu Anni Albers im K 20: Pionierin der webenden Kunst
Foto: TF

Düsseldorf. Anni Albers (1899-1994) dürfte vielen bekannt sein. Künstlerin am Bauhaus, Ehefrau des revolutionären abstrakten Malers Josef Albers, mit dem sie aus Deutschland floh und in die USA übersiedelte, wo beide am legendären Black Mountain College in North Carolina lehrten. Das Markenzeichen ihres Mannes war das Quadrat, aber was zeichnet eigentlich ihre Kunst aus? Es ist das, was gemeinhin gar nicht der Kunst zugerechnet wird, sondern eher dem Handwerk: das Weben. Stoffe und Fäden sind für Anni Albers das, was für ihren Gatten die Farbe war. Und sie hat das Weben tatsächlich zur Kunst erhoben.

Ihre textilen Werke faszinieren. Albers variiert Muster und Formen, spielt mit Quadraten, Dreiecken, Linien oder Knoten, sie experimentiert mit etlichen Materialien wie Baumwolle, Leinen, Jute, Hanf, Metallgarn oder Rayon (Kunstfaser). Aus all dem kreiert Albers Bilderkosmen mit Sogwirkung. Und das in verschiedensten Genres: Wandbehänge, Bildgewebe („Pictorial Weavings“), Schmuck, Raumteiler, Trennvorhänge oder Bettdecken für Wohnbereiche.

(Anni Albers vor ihrem Webstuhl. Foto: Kunstsammlung NRW)

Anni Albers war eine Pionierin der „Webkunst“. Doch sie stand bislang im Schatten ihres Mannes. Auch weil das Weben lange Zeit nicht als kunstwürdig galt. Selbst die Bauhäusler belächelten die Werkstatt für Textilien als „Frauenklasse“. In Kooperation mit der Tate Modern in London will das K 20 Anni Albers aus dem stiefmütterlichen Dasein in der Kunstgeschichte herausholen. Rund 300 Werke haben die Kuratorinnen Maria Müller-Schareck, Ann Coxon und Briony Fer zusammengetragen. Sie gruppieren sie mehr oder weniger chronologisch um ein „Herzstück“ herum, in dem Inspirationsquellen und Arbeitsmaterialien versammelt sind: ein Webstuhl, Fotografien, präkolumbianische Textilien, die das Künstlerpaar auf ihren Reisen nach Mexiko und Peru sammelte sowie das Buch „On Weaving“, mit dem Anni Albers in den Kosmos des Webens führt. Von den Ideen und den Arbeitsgeräten im Inneren zu den Kunstwerken nach außen — ein plausibles Konzept.

(Anni Albers' textiles Gemälde "La Luz I". Foto: TF)

Das textile Schaffen müssen die Besucher auf eigene Faust erkunden, erklärende Texte fehlen. Die Kuratorinnen lockern die üppige Schau mit dokumentarischen Materialien auf, etwa mit Fotografien der Künstlerin am Webstuhl oder Zitaten über die Webkunst. Das macht die Ausstellung lebendig. Ansonsten brauchen die Arbeiten der Webkunst-Pionierin auch keine Erläuterungen, sie sprechen für sich. Zu den beeindruckendsten zählt „La Luz I“ (1947). Es wimmelt von unzähligen bunten Leinenfäden, die sich gleichmäßig von links nach rechts ziehen. Mittendrin erscheint ein großflächiges Kreuz aus goldenem Metallgarn. Es leuchtet auf und scheint gleich wieder zu verschwinden, wie eine himmlische Erscheinung.

Als besonders spannend erweist sich auch Albers’ Zusammenarbeit mit Architekten. Ganz der Philosophie des Bauhauses entsprechend, nach der die Grenzen zwischen den Künsten überschritten wurden. So fertigte Albers für das AT&T Building in New York einen wollenen Wandbehang an, in dem sie Linien, Dreiecke oder Quadrate orchestrierte. Eine luftige Komposition in zartem Gelb, Violett und Weiß. Knallig und poppig geht es in dem textilen Gemälde „South of the Border“ zu. Orangene, pinke, gelbe, weiße und blaue Tupfer und Streifen fließen ineinander. Aus dem Panorama dringt die noch die flirrende Wärme der untergehenden Sonne im Süden. Anni Albers fertigte aber auch Schmuck aus ungewöhnlichen Materialien an, etwa eine Kette aus einem Abflusssieb und Büroklammern. An dieser umfangreichsten Albers-Schau seit 20 Jahren führt kein Weg vorbei.

Die Anni Albers-Schau eröffnet am Freitag um 19 Uhr im K 20.

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