Düsseldorfer Karneval Rosenmontagszug feiert die Freiheit

600 000 Menschen haben laut Carnevals Comitee und Polizei den Zoch besucht. Den meisten Applaus gibt’s für die Tilly-Wagen.

Düsseldorfer Karneval: Rosenmontagszug feiert die Freiheit
Foto: S. Lepke, J. Michaelis, S. Kouschkerian

Düsseldorf. Die Freunde von Emmanuel Louvec sitzen im Deutschkurs, um die Sprache ihrer neuen Heimat zu lernen. Drei Familien aus dem Südfranzösischen Lyon haben sich gerade in Düsseldorf niedergelassen und üben am Montag, wie die in diesen Tagen wichtigsten Wörter auszusprechen sind: Düsseldorf, helau! Das klappt schon prima, und auch sonst fühlen sich die Franzosen — die sich alle als Franzosen (!) verkleidet hatten — beim Besuch des Rosenmontagszugs extrem wohl. Denn während die rechtsextreme Demokratie-Feindin Marine Le Pen und ihre Unterstützer gerade dabei sind, Frankreichs Selbstverständnis als „Grande Nation der Freiheit“ zu zerfetzen, feiert Wagenbaukünstler Jacques Tilly das Recht auf Freiheit als höchstes Gut der Menschheit. Heimweh nach Frankreich? Non.

Der Zug geht mit Verspätung los, was für die Jecken am Wegrand kein Problem ist. Mildes trockenes Wetter, Käse und Trauben in der Tupperdose, Altbier im Rucksack, da simmer dabei. Als der erste politische Wagen vorüberzieht, ist allerdings schnell klar, wem die Aufmerksamkeit ab jetzt gebührt. „Herrlich“, sagt Gianni Giovannoni, der sich mit seiner Frau Jutta in Höhe der Oper postiert hat: Die Demokratie als sattgrünes Blatt, angefressen von den Raupen Erdogan (mit Fez), Putin, Trump (mit Tolle) Kaczynski und Orban. „Die Wagen vom Tilly sind immer gut“, sagt Giovannoni. „Schön scharf und immer auf den Punkt. Man merkt, dass er an der Kunstakademie studiert hat.“ Hat er aber gar nicht. „Ach so. Trotzdem toll“, sagt Giovannoni. Den Namen hat der Hotelbesitzer von seinem italienischen Vater aus Livorno, die Vorliebe für den Karneval von seiner Düsseldorfer Mutter und die Freude an der Kunst von beiden — Vater und Mutter waren Opernsänger.

Rosenmontagsumzug: Die schönsten Kostüme
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Eine Besonderheit im diesjährigen Zug ist der doppelte Trumpwagen. Der erste Wagen zeigt den US-Präsidenten, der die Freiheitsstatue vergewaltigt. Deren aufgebrachter Gesichtsausdruck signalisiert allerdings Angriff, was der Wagen, der gleich hinterher rollt, als Fortsetzungsgeschichte aufnimmt: Die Freiheitsstatue trägt den geköpften Trump beim Schopf und strahlt: „America resist!“ Zoch-Besucher applaudieren. „Darauf habe ich mich gefreut“, sagt Kai Janitz, „ich bin schon seit Tagen gespannt, wie Jacques Tilly das Thema aufgreift.“

Und auch wenn einem die Allgegenwärtigkeit von Trump und seinen kruden Ideen auf die Nerven geht — „wir dürfen ihn jetzt nicht aus den Augen lassen“, meint Manuela Döring. „Das Thema ist total aktuell und hat seine Berechtigung.“ Zumal es dank Karneval in zugespitzter Form sogar heiter zu stimmen vermag. Im politischen Alltag bietet Donald Trump ja nicht sehr viel Grund zum Lachen.

 Endspurt am Montag für das Prinzenpaar Christian III und Alina.

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Düsseldorf: D'r Zoch kütt
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Das ist jedoch das Schöne: Karneval rückt die Verhältnisse zurecht, das gefällt den Narren in dieser krisenhaften Zeit. Wohl auch deswegen kommt es einem so vor, als gäbe es mehr Applaus für die Mottowagen als sonst. Der Wutbürger-Wagen etwa sorgt für Stimmung: ein rotgesichtiger Mann mit Riesenwampe, AFD-, Lügenpresse- und Volksverräter-Sticker und dem Hinweis: „Bei zu viel Wut im Bauch, ist die Demokratie im Arsch“. Es ist nötig, dass das endlich mal alle mitkriegen, sagt Andreas Brenner: „Die Demokratie zerbröselt schleichend. Das darf man nicht unterschätzen. Dagegen muss etwas unternommen werden. Deswegen ist es gut, dass die Wagen in diesem Jahr besonders scharf sind.“

Da sind so viele große Themen, welche die demokratischen Grundrechte angehen, dass eine mögliche Neuverschuldung der Stadt Düsseldorf und ihres Oberbürgermeisters Thomas Geisel nahezu unspektakulär daherkommt. Die Düsseldorfer Gemüter jedoch beschäftigt auch das. Und so gibt es nicht nur einen Mottowagen zum Thema, sondern auch Karnevalsgesellschaften wie die Uzbröder bringen ihren Unmut über die drohende Neuverschuldung mit ihrem Wagen zum Ausdruck.

So bissig sind die politischen Mottowagen in Düsseldorf
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