Regenjacken müssen leicht sein

Hersteller setzen hierzulande auf Funktionsjacken ohne Fluorchemie — der Gesundheit und Umwelt zuliebe.

Regenjacken müssen leicht sein
Foto: Walbusch

Als der Chemiker Charles Macintosh im Jahr 1823 mit einer Art Lösemittel aus Steinkohle-Teer und dünnen Lagen Baumwolle experimentierte, war ihm schnell bewusst, welch bahnbrechende Entdeckung er gemacht hatte. Er hielt in seinen Händen den ersten wasserundurchlässigen Stoff der Menschheitsgeschichte. Macintosh hatte sich Jahre zuvor das Patentrecht für wasserfeste Textilfarbe von seinem Landsmann Sir James Syme gesichert. Vom regenreichen Schottland aus begann schließlich der Siegeszug der Regenjacke. Durch das Vulkanisationsverfahren des Kautschuk-Industriellen Thomas Hancock erfuhr Macintoshs Jacken-Prototyp ein zeitnahes Update.

Regenjacken müssen leicht sein
Foto: Walbusch

Steife, schlecht waschbare, nach Gummi stinkende Regenmäntel gehörten von nun an der Vergangenheit an. Es war der Beginn einer erfolgreichen Geschäftspartnerschaft. Mäntel der Firma Charles Macintosh & Co. wurden per Hand gefertigt und erlangten schnell über das Vereinigte Königreich hinaus den Ruf ausgezeichneter Regenkleidung. Um die Jacken weltweit leichter vermarkten zu können, entschied sich der Hersteller fortan seine Waren unter dem Namen „Mackintosh“ anzubieten. Heute hält das japanische Unternehmen Yagi Tsusho die schottische Marke lebendig.

Regenjacken müssen leicht sein
Foto: Walbusch

In Deutschland setzte im Jahr 1920 der bayrische Schneidermeister Johann Klepper ein Ausrufezeichen. Der sogenannte Kleppermantel trug das Prädikat „absolut wasserdicht“. Die Johann Klepper & Co. GmbH mit Sitz in Rosenheim vertrieb diesen damals 780 Gramm revolutionär leichten, dunkelgrauen Baumwoll-Mantel mit Gummi-Beschichtung. Er schützte den Träger nicht nur vor Wind und Wetter, sondern galt auch als besonders reißfest und reibebeständig. So schaffte es der Kleppermantel in Windeseile in die Herzen und schließlich die Kleiderschränke der Deutschen. 1949 meldeten die Klepper-Werke die „Rillo-Lüftung” als Patent an. Sie ermöglichte Luftzirkulation.

Hitzestauungen am Körper konnten so vermieden werden. Ein System von strahlenförmig angeordneten, rillenartigen Lüftungskanälen ermöglichte, dass die Warmluft durch Körperbewegung nach außen gepumpt wurde. Ein Austausch der verbrauchten Warmluft gegen Frischluft machte den Klepper-Rillo-Mantel zu einem „atmenden” Kleidungsstück. 1957 wurden die Kleppermäntel mit der Aquastop-Technologie ausgestattet. Eine hauchdünne Membran verhinderte das Durchdringen von Wassertropfen von außen nach innen und ließ im Gegenzug Hautfeuchtigkeit entweichen. Seit 2002 gehört Klepper zum Solinger Unternehmen Walbusch. „Heute gibt es nicht die eine Regenjacke, sondern ganz unterschiedliche Typen für unterschiedliche Anwendungsfelder“, sagt Kathrin Lörch, Sprecherin von Schöffel aus Schwabmünchen.

Jacken, die für Klettertouren vorgesehen sind, unterscheiden sich daher deutlich von denen, die in der Stadt getragen werden. „Bei der Jacke für die Bergwanderung sind die Reißverschlüsse nach oben versetzt, damit der Kunde problemlos einen Rucksack aufziehen kann. Die urbane Jacke überzeugt durch modische Elemente“, so Lörch. Kräftige Rot- und Grün-Töne sind in den Bergen gefragt. Eher unauffällig — in Olive oder Erdtönen — kommen die Jacken für die Stadt daher. Auf Funktionalität legen die Kunden großen Wert. „Die Jacken müssen durch ihren Stauraum überzeugen. Bei uns kommen Handy- und Brillentaschen zum Einsatz“, sagt Andrea Kluit von Walbusch. Die Jacken müssen heute Tragekomfort, perfekten Schutz vor Wind und Regen sowie Langlebigkeit garantieren. „Das Thema Nachhaltigkeit ist unseren Kunden sehr wichtig“, betont Lörch. Daher will Schöffel, eines der ältesten Familienunternehmen Bayerns, in den kommenden Jahren komplett auf Fluorchemie in seinen Jacken verzichten. Auch Hersteller Jack Wolfskin aus dem hessischen Idstein zieht mit. Die Fluor-Kohlenstoffverbindungen PFC (Perfluorcarbone) stehen im Verdacht krebserregend zu sein. In die Umwelt gelangt können sie von der Natur kaum abgebaut werden. Die Chemikalien werden bei Produkten eingesetzt, die eine Wasser, Öl und Schmutz abweisende Funktion haben.

Bei Walbusch in Solingen und bei Vaude in Tettnang am Bodensee ist man schon einen Schritt weiter. „Vaude ist seit diesem Jahr frei von PFC, nachdem wir in den letzten Jahren große Anstrengungen in diesem Bereich unternommen haben“, erklärt Benedikt Tröster, Vaude-Sprecher. Auch in Sachen Gewicht habe sich in den vergangenen Jahren einiges bei den Jacken getan. Heute können deutlich leichtere Modelle gebaut werden: Die leichteste Jacke wiegt unter 200 Gramm. Das Durchschnittsgewicht einer Regenjacke liegt zwischen 350 und 400 Gramm. Ihre Wasserdichtigkeit lag früher bei 1000 Millimetern Wassersäule. Heute beträgt sie standardmäßig 5000 Millimeter Wassersäule.

wz.de/regenzeit

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