Ja oder Nein Referendum spaltet Düsseldorfer Türken

Evet oder Hayir, Ja oder Nein — eine Frage entscheidet über die Zukunft der Türkei. Der Wahlkampf hat seine Spuren hinterlassen.

 Ja oder Nein: Referendum spaltet Düsseldorfer Türken
Foto: Michaelis

Düsseldorf. Vergangene Woche vor dem türkischen Generalkonsulat an der Willstätterstraße. Schon am Morgen bilden sich lange Schlangen. Autos mit Kennzeichen aus Neuss, Duisburg, Wuppertal, Remscheid, manche auch aus den Niederlanden fahren langsam durch die Straße, suchen einen Parkplatz. Auch die Polizei ist da, eingreifen muss sie nicht.

Bis Sonntag konnten Düsseldorfer mit türkischem Pass, aber auch Wahlberechtigte aus der Umgebung am türkischen Verfassungsreferendum teilnehmen. Evet oder Hayir, Ja oder Nein — was einfach klingt, ist nicht weniger als die Frage nach der Zukunft der Türkei: Hat sie künftig ein neues System, das dem Präsidenten weitreichende Macht garantiert oder nicht? Und was macht das mit dem Land? Fragen, die auch die Düsseldorfer Türken umtreiben.

Spricht man mit den Menschen, die das Konsulat nach der Stimmabgabe verlassen, entsteht der Eindruck, die Ja-Sager überwiegen. „Viele denken, die Lage wird sich verbessern“, sagen zwei Frauen, die für die Verfassungsänderung gestimmt haben, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen wollen. So sieht es auch ein Mann, der mit seiner Ehefrau zur Abstimmung gekommen ist: „Zusagen des Präsidenten werden dann viel schneller Gesetz — die Wege sind dann nicht mehr so weit“, sagt er. Hat er keine Angst vor einer zu großen Machtkonzentration auf den jetzigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan? „Nein, es soll dann ja sogar mehr Sitze geben. Damit macht er sich angreifbar.“ Außerdem findet er gut, dass durch die Änderung alle — auch Militärs und der Präsident — vor den gleichen Gerichten strafbar sein sollen.

Eher zögerlich gibt eine andere Frau an, mit Nein gestimmt zu haben. „Ich möchte das nicht. Ich möchte eine richtige Demokratie in der Türkei.“ Dass bei der Abstimmung alles mit rechten Dingen zugeht, bezweifelt sie. Eine Mutter mit Sohn möchte nicht sagen, wie sie abgestimmt hat. „Es kommen schwere Zeiten auf uns zu“, sagt sie aber — und deutet ihre Einstellung an.

„Ich glaube, die Lager sind etwa gleich stark“, sagt die kurdische Anwältin Gülsen Celebi. Ein Ergebnis sei schwer abzusehen. Was die türkische Gesellschaft hierzulande spaltet, sei ihrer Ansicht nach nicht nur die Entscheidung zwischen Ja oder Nein, sondern auch das Vorgehen der türkischen Regierung. „Viele finden es nicht gut, dass Erdogan versucht, im Ausland so viel Einfluss zu nehmen.“ Wahlkampf habe im Ausland nichts zu suchen, glauben laut Celebi viele in ihrem Umfeld. Auch, dass der Wahlkampf nicht fair abläuft, dass es viel Gegenwehr gegen die Opposition gibt, würden viele sehen.

Auch Nihat Öztürk, Geschäftsführer der Düsseldorfer IG-Metall sieht das als Problem. „Aussagen von türkischen Politikern wie die Nazi-Vergleiche, haben der deutsch-türkischen Beziehung geschadet.“ Gerade für Unternehmen, die wirtschaftliche Beziehungen in die Türkei haben, mache das Probleme. „Die Investitionen gehen zurück und der Tourismus erlebt einen großen Rückschlag.“ In den Betrieben wird wenig über das Referendum diskutiert, da wolle niemand anecken, weil das „den Betriebsfrieden stören und Sanktionen nach sich ziehen könnte“. Es wird auch vermutet, dass sich viele aus Angst nicht äußern wollen, weil sie Familienangehörige in der Türkei haben und Probleme bei der Ein- oder Ausreise befürchten.

Der Konflikt um das türkische Verfassungsreferendum habe bereits großen Schaden angerichtet, sowohl in der Türkei als auch für das Zusammenleben von Deutschen und sogenannten Deutsch-Türken. Nihat Öztürk hofft auf eine Stimme der Vernunft vieler Menschen, die dazu beitragen sollten, die Lage zu verbessern. „Wir brauchen Brücken statt Mauern“, sagt er. Es werde viel Zeit und Energie kosten, diese Brücken wieder aufzubauen.

Warum es trotzdem viele Ja-Sager gibt? „Es gibt viele, die sich hier nicht richtig beachtet fühlen. Als wären sie als Einwanderer eine Zweite-Klasse- Mensch“, sagt Anwältin Celebi. Sie vermutet, dass der türkische Präsident diesen Menschen als Retter vorkommt, als jemand, der an sie denkt und sich um sie kümmert, wo es sonst niemand tut.

Diesen Eindruck hat auch Ökkes Yildirim. Er betreibt „Das Büdchen“ an der Linienstraße und kann von Erdogan langsam nichts mehr hören. „Ich werde immer wieder gefragt: Was macht der Irre wieder.“ Er glaubt, dass viele Türken in Deutschland sich im Stich gelassen fühlen. „Man hat immer wieder mit Alltagsrassismus zu tun.“ Erdogan wisse das und setzt bei diesen Themen an. „Bei manchen ist das ,Ja’ dann vielleicht eine Art Trotzreaktion gegenüber Deutschland.“

Auch sein Bekannter Aydin verfolgt die Geschehnisse. „Man hat das Gefühl, das ist ein schwarz-weiß Denken. Entweder du bist dabei oder du bist raus“. Man müsse sich bei Diskussionen mit einem Gegenüber, dessen Meinung man noch nicht kennt oft vorsichtig herantasten — da könnte es sonst schon Konflikte geben. „Demokratie geht nicht nur mit einem Mann“, findet Aydin aber. Einen türkischen Pass hat er nicht mehr — und kann nicht abstimmen. Er schätzt, dass auch in seinem Freundeskreis — unter denen, die wählen dürfen — die Lager gleichmäßig verteilt sind.

Ein Zwischenergebnis gibt es noch nicht. Diese Woche werden die versiegelten Wahlurnen nach Ankara zur Auszählung geschickt. In der Türkei selbst wird erst am Wochenende gewählt. Was sich dort und für die Türken in Deutschland ändern wird — ob es nun zur Verfassungsänderung kommt oder nicht, ist offen. Fest steht aber: das Referendum hat die Türken gespalten — auch in Düsseldorf.

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