Psychologe sagt: Düsseldorf ist zu raserfreundlich

Kai Lenßen meint, dass allein Kontrollen wenig bringen. Stadt setzt auf Überwachung.

Düsseldorf. 389 Unfälle mit Verletzten haben im Jahr 2011 Autofahrer verursacht, die zu schnell fuhren. Zu hohe Geschwindigkeit ist eine der Hauptunfallursachen in Düsseldorf — besonders bei Unfällen mit tragischem Ausgang. Stadt und Polizei kämpfen gemeinsam gegen das flotte Tempo auf den Straßen. Doch Umweltpsychologe Kai Lenßen, der professionell Maßnahmen zur Veränderung des Verkehrsverhaltens auf ihre Wirksamkeit prüft, sagt: Düsseldorf ist noch immer zu raserfreundlich. Und Kontrollen bringen nur wenig.

„Wir haben zu wenig Raum für alle, die hier unterwegs sind“, sagt Lenßen. „Die Verkehrssituation in Düsseldorf ist gefährlich.“ Blitzen allein helfe da nicht: „Das Thema muss die Menschen auf mehreren Ebenen erreichen. Es muss ein Gesamtkonzept erstellt werden.“

Besonders wichtig findet er Aufklärung und Kommunikation, das Thema müsse in die Bildung. Aber eine Kommune könne mit baulichen Maßnahmen viel tun. In Düsseldorf seien gerade Tempo-30-Zonen oft raserfreundlich. Beispiel: der Dechenweg in Wersten: „Da wurden irgendwann Schilder mit Tempo 30 aufgestellt, ohne dass sich sonst etwas an der Fahrbahn änderte. Aus Autofahrersicht nicht nachvollziehbar.“ Lenßen schlägt Verschwenkungen der Fahrbahn vor, wie es sie in vielen Wohngebieten schon gibt. Eine optische Verengung der Straße durch Bepflanzung sei ebenfalls denkbar. Oder Schraffierungen auf der Straße, die das Tempo höher erscheinen lassen, als es tatsächlich ist.

„Die baulichen Maßnahmen sind irgendwann erschöpft“, sagt indes Roland Hahn vom Amt für Verkehrsmanagement. „Ich kann an einer Hauptverkehrsstraße keine Schwellen einbauen.“ Und: „Diese Maßnahmen nützen nichts, wenn die Regeln nicht eingehalten werden.“ Der Trend zum „bewussten Fehlverhalten“ sei groß. „Ich setze daher vor allem auf Überwachung“, sagt Hahn. „Ich halte das für den richtigen Weg.“

Seit Beginn dieses Jahres blitzt die Polizei in Düsseldorf verstärkt. Immer für sechs Wochen wird ein Schwerpunkt-Stadtteil ausgewählt, in dem es mehrere Messstellen pro Tag gibt. „Aber das wirkt nicht nachhaltig“, glaubt Psychologe Lenßen. Ebenso wie der Blitzer-Marathon, bei dem 24 Stunden lang an über hundert Stellen in der Stadt gemessen wird. Eine wirkliche Anregung zur Verhaltensänderung sei diese Aktion nur für jene Anwohner, die eine Messstelle vorschlagen — weil sie sich das Thema bewusstmachen und selbst dafür engagieren.

Tatsächlich hat sich etwa in Düsseltal, dem letzten Stadtteil bei den Schwerpunktkontrollen, das Tempo im Laufe der sechs Wochen nur um ein bis drei km/h verringert. „Das ist nicht viel“, sagt Wolfgang Tillmann, Leiter der Verkehrsinspektion 1. „Aber bei 30 Stundenkilometern macht es schon etwas aus.“

Um einen größeren Effekt zu erzielen, schlägt Kai Lenßen Kinder als Verkehrsdetektive vor, die mit der Polizei gemeinsam vor Schulen messen und die sündigen Autofahrer über die Gefahren des hohen Tempos aufklären.

„Erwachsene reagieren dann ganz anders“, sagt der Psychologe. Aber es müsse kontinuierlich, vor einer Schule etwa ein Jahr lang, gemacht werden. Positiver Nebeneffekt: Die Kinder lernen schon früh, dass Geschwindigkeit ein Thema ist.

„Das ist eine schöne Idee“, findet Wolfgang Tillmann. Er will prüfen, ob die Polizei die Anregung des Psychologen umsetzen kann. Aber auch jetzt schon gibt es zumindest eine positive Nachricht aus dem Polizeipräsidium: Die Zahl der Geschwindigkeitsunfälle ist in der ersten Jahreshälfte leicht zurückgegangen.

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