Profiler Stephan Harbort aus Düsseldorf im Interview Protokolle des Bösen - Im Gespräch mit dem Serienkiller

Der Düsseldorfer Polizist Stephan Harbort besucht seit Jahren Mörder. Jetzt gibt es dazu eine TV-Serie mit bekannten Stars.

Stephan Harbort (l.) ist morgen mit Uwe Ochsenknecht als Serienmörder im TV zu sehen.

Stephan Harbort (l.) ist morgen mit Uwe Ochsenknecht als Serienmörder im TV zu sehen.

Foto: PR/A&E/Getty/Koch

Düsseldorf. Der Düsseldorfer Polizist und Kriminalist Stephan Harbort beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der dunklen Seite des Menschen. Mehr als 50 Serienmörder hat er besucht und interviewt. Jetzt erscheinen ausgewählte Gespräche als Fernsehserie auf dem Bezahlsender A&E — mit Harbort selbst und bekannten Schauspielern. Auftakt am Samstag: Uwe Ochsenknecht in der Rolle des Oma-Killers.

Herr Harbort, der Sender kündigt an, Sie wollten durch die Interviews herausfinden, warum Menschen zu Serienmördern werden. Haben Sie das?

Stephan Harbort: In den gezeigten Fällen, bis auf einen: ja. Das war mein erstes Interview 1997 im Hochsicherheitstrakt in Köln. Da hatte ich es mit einem untersetzten Herrn zu tun, quirlig und eloquent — aber ein Psychopath, wie er im Buche steht. Er breitete alles vor mir aus, jedes Detail. Ich bin das Böse — ihr müsst Angst vor mir haben. Sein Spiel war, mich über die Gründe im Unklaren zu lassen. Und ich war unvorbereitet, habe mir diese Selbstinszenierung sieben Stunden lang gefallen lassen. Das würde ich heute nicht mehr tun. Ich bin grandios gescheitert.

In der Serie spielt Fritz Wepper diesen Mörder. Konnten Sie sich die Gründe für sein Morden später erklären?

Harbort: Die ersten beiden Frauen, die er tötete, waren Bekannte, die es zu ein bisschen was gebracht hatten. Er hingegen hatte kein Geld, keine Frauen. Seinen ganzen Hass hat er auf diese Opfer projiziert.

Haben andere Killer Ihnen ihr Verhalten selbst erklären können?

Harbort: In der Regel können die Täter das nicht. Viele denken auch gar nicht darüber nach, die Gefühlsebene existiert nicht. Aber wenn man mit ihnen auf freiwilliger Basis und vertraulich spricht, die richtigen Fragen stellt, öffnen sich manche. Oft ist das vordergründige Motiv klar: Man wollte zum Beispiel das Portemonnaie klauen. Und nach zwei Stunden erzählt mir derselbe Täter dann, dass er sich so mächtig fühlte, als er die Frau würgte und sterben sah. Diesen Täter spielt übrigens Uwe Ochsenknecht. Der Mann wurde irgendwann freigelassen und brachte sofort wieder zwei Frauen um — fünf insgesamt.

Resozialisierung — kann es die bei Serienkillern überhaupt geben?

Harbort: Durchaus. Es ist ein Irrglaube, dass es ausnahmslos nicht ansprechbare bzw. nicht therapierbare Täter sein müssen. In der Regel sind es zerrissene Persönlichkeiten, gescheiterte Existenzen Ich habe schon lange Kontakt zu einem ehemaligen Soldaten, der zwei Frauen getötet, zwei lebensgefährlich verletzt und alle missbraucht hat. Er selbst wurde früher von seinem Onkel missbraucht, hatte zudem eine konfliktträchtige Beziehung zu seiner pathologisch eifersüchtigen Verlobten. Er schilderte mir, dass er sich wie eine Champagnerflasche fühlte, die ständig geschüttelt wurde — aber der Druck wurde vom Korken im Inneren gehalten. Nach einem Streit hat er sich dann ins Auto gesetzt, eine Frau getroffen, sie eingeladen — als sie ihn abwies war das eine Abweisung zu viel. Er verletzte sie schwer. Er sagte mir glaubhaft, dass er sich bis fünf Minuten vor dieser ersten Tat selbst nicht vorstellen konnte, dass er zu so etwas fähig war. Er saß 17 Jahre in Haft, wurde dann in die USA abgeschoben. Er hat sich seinen Taten gestellt, sie ernsthaft bereut. Er ist nie rückfällig geworden und lebt heute in völlig gefestigten Verhältnissen.

Aber ist die Gefahr, dass solche Menschen wieder töten, nicht größer als bei solchen, die das nie als Ventil kennen gelernt haben?

Harbort: Natürlich. Die Hemmschwelle sinkt. Viele sagen, sie mussten sich beim ersten Mal überwinden, beim zweiten Mal ging es dann leichter.

Gibt es einen Mörder, der Sie besonders beeindruckt hat?

Harbort: Was mich sehr beeindruckt, ist echte Mordlust. Die unnatürliche Freude über die Vernichtung eines Menschenlebens. Das ist mir auch unheimlich. In der Serie wird ein solcher Fall von Sven Martinek gespielt. Ein Mann, der drei Menschen getötet hat und sagt: ,Es war geil. Ich habe es gern getan und würde es gern wieder tun.’ Er sitzt in Sicherungsverwahrung.

Sind Serienmörder immer soziale Randfiguren?

Harbort: Die Mehrzahl schon. Manche sind aber auch nur subjektiv in einer Außenseiterposition. Ein angesehener Dermatologe etwa — der aber Frauenprobleme hat, spezielle Vorlieben und irgendwann eine Reihe Tötungsdelikte begangen hat.

Also sind das keine abartigen Monster — sondern uns näher, als wir glauben wollen?

Harbort: Sie leben nicht auf einem anderen Stern — ja, das ist die Botschaft. Und meine Frage lautet: Wo sind die Weichen falsch gestellt worden? Und was können wir als Gesellschaft besser machen. Es muss ja in unserem Interesse sein, uns das zu fragen.

Was war Ihr Anspruch bei der TV-Serie?

Harbort: Ich fand die Idee gut, ein authentisches Format zu machen. Ich habe so die Möglichkeit, mir den Täter selbst anzusehen — und ihn dadurch nicht nur als Täter zu sehen, sondern auch den Menschen dahinter.

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