Polnische Fotografen malen mit Lichteffekten

Das Polnische Institut zeigt mit „Das Wort täuscht — das Auge nie“ eine ungewöhnliche Ausstellung.

Polnische Fotografen malen mit Lichteffekten
Foto: Kazimierz Podsadecki

Wolkenkratzer stehen aneinandergereiht. Aus dem Ensemble ragt das Empire State Building empor. Dazwischen segelt ein kleines Flugzeug. Direkt daneben springt ein Junge von Dach zu Dach. Und aus einem Gebäude wächst das Gesicht einer Film-Schönheit heraus.

Mutig, kühn und zusammengewürfelt wirkt diese Stadtszene, die Kazimierz Podsadecki 1929 kreiert hat. Seine Fotomontage — mit dem Titel: „Stadt, Mühle des Lebens“ — beweist, dass in den 1920er Jahren die moderne Welt mit ihren Massenstädten auch in Polen Einzug hielt und sich auswirkte auf die Arbeit in Künstlerateliers und Studios von Fotografen.

Zu sehen ist dies in einer ungewöhnlichen Ausstellung im Polnischen Institut auf der Citadellstraße. „Das Wort täuscht — das Auge nie“ so der Titel der kleinen, aber feinen Schau, die mit 40 Schwarz-Weiß-Bildern und einigen Film-Projektionen erzählt von der ‚Moderne in der polnischen Fotografie von 1918 bis 1939’. Es waren die künstlerisch produktiven und experimentierfreudigen zwei Jahrzehnte, bevor die Nazis Polen überfielen und dem Deutschen Reich einverleibten. In dieser Zeit entwickelte sich im Dessauer Bauhaus der Stil der Neuen Sachlichkeit, der Stil des Neuen Sehens, und damit eine neue Art, die Wirklichkeit abzubilden.

Wie dieser neue Stil auch polnische Fotografen und Künstler beeinflusste, demonstriert die Ausstellung, die anlässlich der 100-Jahr-Feier der Avantgarde in Polen organisiert wurde — aus den Beständen des Muzeum Sztuki in Lodz, Polens drittgrößter Stadt und des Nationalmuseum in Breslau (Wroclaw).

Bei den Exponaten, zusammengestellt von den Kuratorinnen Maria Franecka und Paulina Kurc-Maj, geht es um Architektur in der Großstadt, um Rhythmus und die Geschwindigkeit des Lebens. So eilen auf dem Foto „Wegbiegung“ von Krystyna Gorazdowska vereinzelte Passanten über eine breite, gebogene Straße.

Eine Szene, die auch von Filmemachern der jüngeren Generation stammen könnte. Wenn Fotografen die Faszination für eine Großstadt darstellen wollten, orientierten sich damals die meisten Polen - wie fast überall in der Welt — an New York. Dazu Kurc-Maj: „Die USA mit ihren Wolkenkratzern, Eisenbahnen und Flugzeugen galten als das modernste Land der Welt und inspirierten alle Avantgarde-Künstler.“ So zierten Montagen der Symbole des Fortschritts auch viele Titel-Seiten von Magazinen und Zeitschriften. Ein anderer Teil der Schau zeigt, wie begeistert Fotografen dieser Jahre mit Lichteffekten experimentierten, wie einige von ihnen mit Licht malten. Zu sehen auf nüchternen Fotos, auf denen gestapelte Papierberge wie ein abstraktes Bild ausschauen.

Oder auf den Still-Leben, die von der klassischen Fotografie beeinflusst waren: Gläser, ein Bund Spargel, eine Schere oder ein Osterei werden so arrangiert und fotografiert, dass sie einem modernen Objektbild ähnlich sind. Empfehlenswert ist die Ausstellung nicht nur Freunden der Schwarz-Weiß-Fotografie, sondern auch denen der breitgefächerten Bauhaus-Kunst.

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