Polizist nimmt Anzeige nicht an — Strafbefehl

Nach dem „Folterprozess“ steht bald ein Polizeibeamter vor dem Richter. Der Vorwurf ist Strafvereitelung im Amt.

Düsseldorf. Zu langjährigen Haftstrafen wurden Anfang Juni zwei Männer (24 und 29 Jahre alt) verurteilt, weil sie einen alkoholkranken Mann (49) auf brutale Weise misshandelt hatten. Für einen 58-jährigen Polizeibeamten wird der „Folterprozess“ ein Nachspiel haben. Er soll nichts unternommen haben, als das schwere Verbrechen angezeigt wurde. So blieben die Täter noch sieben Tage länger auf freiem Fuß. Das Amtsgericht hat gegen den Beamten Strafbefehl erlassen: neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Am 1. September wird darüber verhandelt.

Am 18. Januar dieses Jahres sollen zwei Brüder des einen Täters um 22.15 Uhr in der Polizeiwache am Oberbilker Markt erschienen sein, wo der 58-Jährige allein Dienst hatte. Sie berichteten von der schrecklichen Tat, die sich bereits fünf Tage vorher in einer Wohnung an der Weichselstraße ereignet hatte. Der 49-Jährige war unter anderem mit einem Lötkolben gequält worden, musste verdorbene Lebensmittel essen und auch noch Desinfektionsmittel trinken.

Doch — so die Staatsanwaltschaft — der Polizist schickte nicht etwa einen Streifenwagen los, um nach dem Opfer zu sehen. „Anstatt eine Strafanzeige aufzunehmen, telefonierten Sie lediglich mit der Rettungswache und dem evangelischen Krankenhaus und machten am Computer zwischen 22.35 und 22.47 Uhr insgesamt fünf Abfragen“, lautet der Vorwurf. Der 58-Jährige soll die Namen des Opfers und eines der Zeugen übers Internet recherchiert haben. Dabei fand er zwar heraus, dass der 49-Jährige vor zwei Jahren mal im Krankenhaus behandelt wurde, meinte aber, dass man nichts weiter tun könne. „Sie taten weiter auch nichts“, so heißt es in dem Strafbefehl.

Die beiden Zeugen verließen unverrichteter Dinge die Oberbilker Wache. Doch weil das Opfer sich nach der Tat allein nicht mehr auf die Straße traute, befürchteten die Brüder, dass der 49-Jährige möglicherweise sogar an den Verletzungen gestorben sein könnte. So gingen sie am 25. Januar erneut zur Polizei.

Im Kriminalkommissariat 12 wurde die Anzeige schließlich aufgenommen. Wenig später wurde Haftbefehl gegen die beiden Täter erlassen, die dann am 17. Februar verhaftet werden konnten. „Strafvereitelung im Amt“ lautet der Vorwurf gegen den Beamten, weil die Strafverfolgung erst mit sieben Tagen Verspätung beginnen konnte.

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