Opfer des Wehrhahn-Anschlags: „Wir sind gleichgültiger geworden“

Erstmals sagten drei ehemalige Sprachschüler am Freitag im Prozess vor dem Landgericht aus.

Opfer des Wehrhahn-Anschlags: „Wir sind gleichgültiger geworden“
Foto: Sieckmeyer

Düsseldorf. Seit Januar läuft der Prozess um den Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn vor dem Düsseldorfer Landgericht. Am Freitag sagten erstmals drei der Opfer aus. Sie gehörten zu den zehn überwiegend jüdischen Sprachschülern, die bei dem Attentat im Juli vor 18 Jahren zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Am Nachmittag wollte das Gericht einen weiteren ehemalige Mithäftling des Angeklagten anhören, der Ralf S. angeblich schwer belasten soll. Doch den wollte die Staatsanwaltschaft plötzlich nicht mehr hören.

„Wir hatten es eilig. Wir wollten nach Hause und sind vorne gelaufen. Das war wahrscheinlich unser Glück“, berichtete Naila A., die inzwischen als Ärztin arbeitet. Die 42-Jährige war mit ihrer Schwiegermutter auf dem Weg von der Sprachschule zum S-Bahnhof. An den Knall kann sie sich kaum noch erinnern: „Ich habe mich umgedreht. Da lagen Schüler blutend auf dem Boden.“ Die Opfer hätten nicht geschrien, nur gestöhnt. Erst später bemerkte Naila A., dass sie auch durch Splitter der Bombe verletzt worden war. Schwerer traf es einen 68-jährigen Sprachschüler. Durch einen Splitter wurde sein Darm erheblich verletzt. Auch nach zwei Operationen hatte er immer noch Beschwerden.

Die Ärztin war die einzige, die sich an Ralf S. erinnern konnte. Sie konnte ihn vom Fenster der Sprachschule aus beobachten, wenn er mit Uniform und seinem schwarzen Hund vor seinem Militaria-Laden gegenüber der Sprachschule herumgelaufen ist. Sie habe aber keinen Kontakt zu ihm gehabt und sei auch nicht bedroht worden. Ihr sei auch nicht bekannt, dass andere Schüler zuvor von Ralf S. oder seinen Freunden belästigt wurden.

Was ihr der Prozess bedeutet? „Wir sind nach der langen Zeit gleichgültiger geworden. Man beobachtet das Ganze ruhiger als am Anfang“, sagt die 42-Jährige. Natürlich würde es sie es begrüßen, dass der Schuldige am Ende verurteilt wird: „Damit er das nicht wieder machen kann.“ Aber nur, wenn man das auch beweisen könne.

Kurios verlief am Nachmittag der zweite Teil des Prozesses. Die Staatsanwaltschaft wollte einen 46-Jährigen als neuen Belastungszeugen präsentieren. Der hatte im September vergangenen Jahres an einer Haltestelle in Krefeld eine 68-jährige Frau dreieinhalb Stunden als Geisel genommen, als er verhaftet werden sollte. Der Mann saß danach mit Ralf S. zusammen in Untersuchungshaft. Beim gemeinsamen Freigang soll der Angeklagte ihm von dem Bombenanschlag erzählt und auch angekündigt haben, dass er einen Mordanschlag auf den Staatsanwalt plane.

Anvertraut hatte sich der Zeuge zwei Justizmitarbeitern in Gefängnis-Krankenhaus Fröndenberg, nachdem er erfahren hatte, dass Ralf S. aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist. Die beiden Beamten wurde auch als Zeugen gehört und bestätigten, dass sich der Mann an sie gewandt hatte. Doch als der 46-Jährige praktisch schon vor dem Saal stand, musste er wieder umdrehen. Er hatte noch in der Haft drei Zettel mit handschriftlichen Notizen über das Gespräch mit Ralf S. gemacht. Die bekamen Staatsanwalt und die Nebenanklägeranwälte aber erst am Freitag. Und wollen sie erst auswerten, bevor der Krefelder am nächsten Donnerstag noch einmal kommt.

Derweil ist Ralf S. ohne festen Wohnsitz. Er wohnt in einem Wald bei Ratingen und hat noch keine neue Unterkunft gefunden.

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