Kabarett Nicole Jäger: "Ich werde nie ein Diätbuch schreiben"

Nicole Jägers Körperumfang ist gewaltig. Jetzt stellte die 34-Jährige ihr Übergewicht ins Zentrum eines Kabarettprogramms.

 Kabarett: Nicole Jäger: "Ich werde nie ein Diätbuch schreiben"
Foto: Julia Löwe

Düsseldorf. Mit 26 brachte sie 340 Kilo auf die Waage. Nahm dann die Hälfte ab und ist heute Ernährungsberaterin: Die studierte Sprachwissenschaftlerin Nicole Jäger (34), die 2016 mit „Fettlöserin“ einen Bestseller schrieb, ist derzeit mit ihrem Live-Programm „Ich darf das, ich bin selber dick“ auf Tour. Am Mittwoch, 20 Uhr, tritt sie im Savoy-Theater auf.

Frau Jäger, wie sind Sie darauf gekommen, aus dem Buch einen Kabarett-Abend zu machen?

Nicole Jäger: Am Anfang war es nur eine fixe Idee. Ich saß damals noch in Schottland, gerade fertig mit dem Buch, als das Telefon klingelte und mein Manager meinte: „Falls Dir langweilig ist, schreib doch mal ein Bühnenprogramm! Du hast in drei Monaten und 19 Tagen Premiere...“ Tja, und dann ging es los und seither bin ich auf Tour und habe den geilsten Job der Welt.

Was erwartet das Publikum?

Jäger: Humor und Tiefe, Bösartigkeit und Tempo und all dies in Kombination mit einer großen, blonden, dicken Frau die von Gewicht über Körper bis hin zum Thema Sex nichts unangefasst lässt.

One-Woman-Show. Ist das nicht ein bisschen anstrengend?

Jäger: Ein bisschen? Es ist anstrengend und ich schaffe das mit viel Disziplin, guter Ernährung und Bewegung. Ich trinke zu viel Kaffee, freue mich jeden Abend auf mein Bett, stehe früh auf und ernähre mich fast schon besser als ich es zu Hause tun würde, weil ich die Energie für den Tag einfach brauche. Zwischendrin mache ich Sport.

Warum können dicke Menschen komisch sein?

Jäger: Wieso sollten dicke Menschen denn nicht komisch sein? Oder große? Oder schlanke? Oder rothaarige? Humor hat nichts mit der Kleidergrößte zu tun.

Wann wird das Übergewicht zur Tragödie?

Jäger: Erst dann, wenn der Übergewichtige selber ein Problem damit hat. Wenn es dann so weit kommt wie bei mir damals, dass man unglücklich ist und so fett, dass es krank macht und vom Leben nichts mehr bleibt, dann ist es eine Tragödie.

Warum und wann begannen Sie Ihre Diät?

Jäger: Ich habe keines der 180 Kilogramm mit einer Diät abgenommen. Diäten funktionieren nicht. Nie. Bei niemandem. Nicht nachhaltig und nicht gesund. Wäre dem anders, wäre nicht knapp jeder zweite in Deutschland übergewichtig. Es ist ein Trugschluss zu denken, dicke Menschen würden nie etwas machen, bis sie dann abnehmen. Ich war 20 Jahre lang durchgängig auf Diät bis ich dann endlich die Kurve bekam. Ich wachte eines morgens auf und dachte, ich hätte einen Herzinfarkt. Bis dahin hatte 5 Kuren und 221 Diäten hinter mir. Bei mir war dies der Punkt, an dem ich endlich aufhörte zu diäten und anfing, endlich die Verantwortung für mein Leben und Handeln zu übernehmen.

Wie sieht Ihre derzeitige Diät aus?

Jäger: Ich mache keine. Ich esse einfach. Alles was ich mag, nur nicht immer alles auf einmal. Ich ernähre mich regelmäßig, ausgewogen, viel Obst und Gemüse und viel Genuss. Keine Verbote, kein Verzicht und schon gar nicht dieser Diät-Quatsch. Mit Diäten nimmt man höchstens zu. Ich kontrolliere mich und frage mich, was ich eigentlich von meinem Leben will und ob die Pizza, auf die ich so Bock habe, es wirklich wert ist. Oder ob es heute vielleicht auch ein Salat tut.

Besteht bei viel Verzicht nicht die Gefahr, die Lust am Leben zu verlieren?

Jäger: Sehen Sie, ich glaube genau hier liegt die Fehlannahme. Wir glauben, um abzunehmen, müssten wir verzichten. Das stimmt aber nicht. Wir müssen herausfinden, was wir wirklich wollen und was wir für Esstypen sind. Ich bin einer dieser „Ich-komme-den-ganzen-Tag-mit-Kaffee-aus-und- abends-eskaliert-es-dann-auf-der-Couch“-Typen. Der sicherste Weg um möglichst schnell übergewichtig zu werden. Ich liebe Kohlehydrate, ich esse gern und ich esse gern viel. So zu tun, als wäre das nicht so, ist vollkommener Quatsch. Eine Methode anzuwenden, eine Diät also, die mit mir und meinen Macken nichts zu tun hat, kann nicht funktionieren.

Haben Sie sich früher wegen Ihrer Leibesfülle geschämt?

Jäger: Aber ja natürlich! Wenn ich mich schön, anziehend und umwerfend gefunden hätte, wäre es niemals soweit gekommen. Es musste schon viel Ablehnung meiner selbst und meinen eigenen Körper betreffend mit im Spiel gewesen sein, um es soweit kommen zu lassen. Ein Mangel an Selbstwert spielt eine enorm große Rolle bei Übergewicht.

Wie sieht es derzeit aus mit Partnern? Stand schon mal Ihr Gewicht im Wege?

Jäger: Liebe steht nie etwas im Weg. Schon gar kein Körper. Alles andere ist keine Liebe sondern Befindlichkeit. Ich bin privat sehr sehr glücklich.

Wann schreiben Sie Ihr erstes Kochbuch?

Jäger: Wenn die Woche zwei Dienstage hat, nehme ich an. Nein. Ich werde niemals ein Diätbuch oder Diätkochbuch herausbringen. Ich glaube nicht daran, dass „die eine Methode“ für alle angewandt werden kann. Auch mein Weg ist nicht der Weg für alle. Ich glaube, dass jeder seinen ganz persönlichen Weg finden muss.

Welchen Tipp fürs Leben würden Sie einem dicken Menschen geben?

Jäger: Einen, den ich allen Menschen geben würde: Du bist mehr als die Zahl auf der Waage, Du bist mehr als die Meinung anderer, es ist nie zu spät Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und du hast ein Recht aufs Glücklichsein!

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