Düsseldorf Nic Tenwiggenhorn: Der Fotograf der Altstadt-Künstler

Die ersten Künstler traf Nic Tenwiggenhorn einst im Ratinger Hof. Die WZ traf ihn nun vor seiner Vernissage im Museum Kunstpalast.

Düsseldorf: Nic Tenwiggenhorn: Der Fotograf der Altstadt-Künstler
Foto: Helga Meister

Düsseldorf. Nic Tenwiggenhorn (Jg. 1937) studierte in Essen bei Otto Steinert an der Folkwang-Schule und assistierte in London bei dem damals weltberühmten Farblabor-Techniker Mike Lavelle. Nach seinen Lehr- und Wanderjahren, die er in Paris und Tokio verbrachte, wollte er in Deutschland wieder Fuß fassen. Er wusste aber nicht so recht wohin und verbrachte eine Nacht bis in den nächsten Morgen hinein in der Düsseldorfer Altstadt. Er stand am Rhein, als neben ihm „ein Typ mit einer ganz tollen Kuhfelljacke“ auftauchte. Er kannte ihn nicht, wollte aber mit ihm die Jacke tauschen. Aus dem Geschäft wurde nichts, aber beide beschlossen, wenigstens ein Bier miteinander zu trinken. Sie suchten den Ratinger Hof auf. Damit beginnt Tenwiggenhorns Erfolgsgeschichte, die ab Sonntag ins Museum Kunstpalast führt.

Der Mann mit der Kuhfelljacke entpuppte sich als Maler Norbert Tadeusz. Und der Ratinger Hof war damals noch nicht angesagt, aber ein Treffpunkt der Künstler. Tenwiggenhorn erzählt im WZ-Gespräch: „Das war eine eher normale, etwas miese Kneipe, wo sich viele Studenten aufhielten, die entweder morgens früh schon dort oder immer noch dort waren. Die saßen und tranken Bier. Das Gute war, dass sie kaum etwas gesagt haben. Das hat mir imponiert.“

Weil Tadeusz den Ten — wie sie ihn nannten — mitgebracht hatte, gehörte er dazu. Und schließlich hatte er seinen Platz sogar an der Theke, wo noch lange nicht jeder sitzen durfte. Er sei von diesem Moment an dabei gewesen und kannte sie alle, Blinky Palermo & Co.

Der Fotograf schnappte sich keineswegs sofort die Kamera. „Ich bin eher schüchtern. Das muss sich ergeben. Ich lasse mich ja auch nicht einfach so von jedermann fotografieren. Palermo habe ich übrigens nie fotografiert, weil das nicht in Frage kam. Aber im Endeffekt gewann ich das Vertrauen“, erzählt er.

Nach seinen Lehr- und Wanderjahren, mit besagter Stipp-Visite im Ratinger Hof, ließ er sich 1978 an der Oststraße nieder, arbeitete zehn Jahre lang für Werbeagenturen und übergab 1988 sein Studio seinem Assistenten Patrick Zier. Sein neues Studio an der Rosmarinstraße 12 diente fortan der Kunst — bis zu seinem Umzug nach Berlin.

Er wurde zu einem der wichtigsten Werkfotografen für zeitgenössische Kunst weltweit. 60 Mal jettete er allein nach New York, weil Künstler ihn riefen. Auch heute noch verlässt kein Kunstwerk von Thomas Schütte das Atelier oder die Galerie, bevor Ten es nicht fotografiert hat. Katharina Grosse, die Senkrechtstarterin, Professorin der Kunstakademie, rief ihn vor zwei Jahren wie selbstverständlich ins Museum Kunstpalast zur raumgreifenden Malerei. Und bei Günther Uecker tauchte er vor kurzem auf. Auf rund 20 000 Aufnahmen zählt er diese Aufträge für Künstler. Sie zieren heute die wichtigsten Oeuvre-Kataloge weltweit.

Aber für ein Museum noch wichtiger sind die Fotos „nebenbei“. Als Stephan von Wiese, der Begründer des rheinischen Fotoarchivs am Ehrenhof, bei Tenwiggenhorn vorbeischaute, war er begeistert. Und sein Nachfolger Kay Heymer ist es auch. Ten erzählt: „Wenn ich unterwegs war, hatte ich in der Regel die Leica dabei. Die steckte immer unter der Jacke.“

Diese „privaten Negative“ zählt er auf 70 000 Stück. Davon wählte er 1000 aus, allesamt schwarz-weiß. „Ich habe alle Negative herausgeholt und untersucht, bis ich tausend hatte. Alle Abzüge sind in einem handlichen Format. Das war ziemlich viel Arbeit. Man macht 5000 Abzüge, das Gros landet im Papierkorb.“

Diese Fotos handeln von Düsseldorf und Umgebung, von der Altstadt, vom Milieu in der Nähe der Akademie. In der Neubrückstraße saß noch ein Schrotthändler. Es gab uralte Häuser. Nonnen liefen herum. Ten machte Hunderte von Aufnahmen in Ateliers, auf Eröffnungen und bei Künstlerfesten. In der Kunstszene genießt er seit Mitte der 1970er Jahre einen hervorragenden Ruf.

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