Müheloser Schöngesang vor wenig Publikum

Nur das Parkett war besetzt bei Juan Diego Flórez’ beeindruckendem Auftritt in der Tonhalle.

Müheloser Schöngesang vor wenig Publikum
Foto: Kristin Hoebermann

Juan Diego Flórez — Belcanto-Tenor der leisen, extrem hohen Töne und Superstar, der weltweit ähnliche Magnetwirkung besitzt wie Anna Netrebko — kam mit einem Arienabend in die Tonhalle. Kaum zu glauben, dass nach zwei komplett ausverkauften Abenden in der Hamburger Elbphilharmonie der Rang in Düsseldorf leer blieb und nur das Parkett voll besetzt war. Lag es daran, dass die „Siegfried“-Premiere — ebenfalls am Samstagabend — viele Opernfreunde ins Opernhaus lockte? Möglich wär’s. Dennoch bleibt das geringe Interesse an dem grazilen charmanten Peruaner mit makelloser Stimme und seinem Wunschkonzert-Programm ein Rätsel.

Zumal Floréz vor über zehn Jahren das letzte Mal Düsseldorfs Publikum frenetische Jubelstürme entlockte, im Rahmen einer Operngala, und die Landeshauptstadt jetzt die einzige Tour-Station in NRW war. Floréz, seit 20 Jahren an ausverkaufte Säle gewöhnt, ließ sich nichts anmerken und zeigte sich in Topform. Lange stehende Ovationen belohnten seinen mühelosen Schöngesang, mit dem er sich in zwei Stunden in die Herzen sang und in eine andere Welt entführte.

Locker, entspannt — so wie er die vielen hohen C’s in Opernarien sang —, so reagierte er darauf mit drei Zugaben. Er nahm die Gitarre und gab mit „Deine Liebe ist mein ganzes Leben“ ein sehr persönliches, romantisches Liebeslied zum Besten. Gewidmet hatte es der 45jährige Peruaner und Frauenschwarm seiner deutschen Frau — zum zehnten Hochzeitstag. Klar, dass der Jubel noch stärker wurde, ganz zu schweigen von der Begeisterung nach zwei lateinamerikanischen Volksliedern.

Bis zum letzten Ton betört Floréz — hier a bissel als Latin Lover — durch seinen reinen, cremigen Klang, manchmal durch Kopfstimme und seinen unverwechselbaren Glanz, der sich auch in den Spitzentönen nicht verliert. All’ das meistert er ohne einen Tropfen Schweiß und scheinbar mühelos.

Denn anders als so viele (nach der Vorstellung schweißgebadeten) Heldentenöre setzt Floréz nicht auf Kraft, sondern auf ausgefeilte Technik, führt seine schlanke, nicht sehr große, aber tragfähige Stimme wie ein Instrument und demonstriert Koloraturen und Legato-Kultur vom Allerfeinsten.

Ob bei Mozart, in Taminos „Bildnis-Arie“ („Zauberflöte“), in „J’ai perdu mon Eurydice“ (aus Glucks „Orpheus und Eurydike“), oder später als schmachtender Des Grieux in Massenets „Manon“ oder leidender Alfredo in Verdis „Traviata“ — seine Stimme strahlt und leuchtet von Innen. Und: Deutsches, französisches, italienisches Fach — er beherrscht sie alle, wirkt stets stilecht, elegant und singt wortverständlich. Auch unter der ersten Sänger-Garnitur heute eine Seltenheit. Sicherlich erlebt man an einem Abend nur selten so viel nahezu verschwenderischen Schöngesang wie beim Stilisten Floréz, dessen hohes Register und Mittellage in den letzten Jahren an Volumen und Durchschlagskraft hörbar gewonnen haben.

Dass der Tenor nach seinem kometenhaften Aufstieg und einer Weltkarriere mit Mitte 40 noch immer so brillant über die Rampe kommt und sich keine Kratzer auf den Stimmbändern bemerkbar machen, liegt vermutlich daran, dass er mit seinen Kräften haushaltet. Und nur wenige Konzerte gibt. Ein Trost für diejenigen, die seinen Auftritt verpasst haben, ist sein neues Album bei Sony Classical — mit Mozart-Arien.

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