Mit dem Baukran in den Rettungswagen

Stark übergewichtige Patienten stellen Rettungshelfer und Krankenhäuser vor neue Aufgaben.

Düsseldorf. Die Deutschen werden immer dicker: Eine im September veröffentlichte Studie der OECD hat herausgefunden, dass nahezu die Hälfte aller Bundesbürger Übergewicht hat. Ein Sechstel ist fettleibig. Ein 25-Jähriger gilt als fettleibig, wenn er 100 Kilo bei einer Körpergröße von 1,80 Meter wiegt. Es gibt aber Menschen, die diese Werte noch deutlich übertreffen: "Wir hatten einen Patienten hier, der 275 Kilo wog und zwölf Liter Cola am Tag trank", sagt Dr. Markus Krausch von der Universitätsklinik. Meistens gleichen sich die Lebensläufe dieser Patientengruppe: Männlich, alleinstehend, bei einem Familienmitglied wohnend.

Das Problem bei dieser Form des Übergewichts: Das Risiko für Krankheiten steigt, die Krankenhausaufenthalte der extrem übergewichtigen Patienten stellen die Kliniken vor neue Herausforderungen. In der Adipositas-Chirurgie der Universitätsklinik wurde in den letzten Jahren vieles auf diese Patienten umgestellt: "Eine normale Waage zeigt das Gewicht nur bis 150 Kilo an, die Waage in unserer Ambulanz trägt ein Gewicht von 300 Kilo", sagt Krausch.

Die Universitätsklinik hat sich im ganzen Haus auf die Patienten angepasst: In den Zimmern gibt es extra große Toiletten, im OP-Saal werden längere Instrumente für die Operationen benötigt. Während der OP wird das Pflegepersonal verstärkt, um die Patienten umlagern zu können. Wegen der übergewichtigen Patienten hat nicht nur die Universitätsklinik aufgerüstet. "Früher hatten wir Betten bis 175 Kilogramm, heute kaufen wir auch größere Spezialbetten bis 250 Kilogramm Tragkraft", sagt Mareike Dietzfelbinger, Pressesprecherin des EVK. Im Dominikus Krankenhaus gibt es OP-Tische, die ein Gewicht von 450 Kilo aushalten.

Die Kosten müssen aus dem laufenden Etat bestritten werden. Aber auch der Krankenhausaufenthalt selbst verursacht Mehrkosten: "Die übergewichtigen Patienten haben ein höheres Infektionsrisiko und die Wundheilung verläuft schlechter. Dadurch ist die Verweildauer länger", sagt Krausch.

Da die Krankenkassen nur Pauschalen für Operationen zahlen, bleiben die Krankenhäusern letztlich auf den Mehrausgaben sitzen. Aufgrund der hohen Kosten werden nicht alle Kliniken umbauen können, vermutet Lothar Kratz, Pressesprecher der Krankenhaus-Gesellschaft NRW. Beim Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf soll die Infrastruktur für die adipösen Patienten erst in den nächsten Jahren angeschafft werden: "Wir haben nur wenige dieser Patienten", sagt Pressesprecher Martin Schicht.

"Bei Notfällen entstehen schnell organisatorische Probleme", sagt Kratz. Dafür hat die Düsseldorfer Feuerwehr aufgerüstet: Seit 2006 gibt es einen speziellen Rettungswagen für schwer übergewichtige Patienten: "Die Liege in normalen Krankenwagen trägt nur Patienten bis 150 Kilo", sagt Feuerwehrsprecher Heinz Engels. Dass sich die Anschaffung in Höhe von 23000 Euro gelohnt hat, zeigen die gestiegenen Beförderungszahlen: 2008 wurden mit dem Krankenwagen 133 Patienten gefahren, ein Jahr später waren es 185 und in diesem Jahr bereits 145. Als Tragehilfe rückt immer ein mit sechs Personen besetztes Löschfahrzeug an. "Wir hatten auch schon Patienten, die über 300Kilo wogen", sagt Engels. Bei solch außergewöhnlichem Körpergewicht kommen dann schwere Geräte wie Baukräne zum Einsatz.

Letzter Ausweg für die stark übergewichtigen Patienten bietet die Adipositas-Chirurgie. Prominentes Beispiel ist Argentiniens Fußballlegende Diego Maradonna, der durch eine Magenverkleinerung sein Gewicht von 120 auf 75 Kilo verringerte. Das Team von Prof. Claus Eisenberger operiert an der Universitätsklinik pro Monat vier bis acht Patienten. Tendenz steigend. Der Eingriff am Magen kann erfolgreich sein: "Wir betreuen seit Jahren einen Patienten, der sein Gewicht von 300 auf unter 100 Kilo reduziert hat", sagt Dr. Thomas Sonnenberg, Chefarzt in der Chirurgie des Dominikus-Krankenhaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort