Minimal-invasive Operationen: „Nicht alles, was machbar ist, ist auch medizinisch sinnvoll“

Der Trend zu immer kleineren Schnitten kann auch gefährlich sein, warnt der Chefarzt Olaf Horstmann.

Düsseldorf. Minimal-invasive Eingriffe oder Operationen durchs Schlüsselloch, wie sie landläufig genannt werden, sind in der Medizin längst Standard. Bei Operationen der Gallenblase etwa werden heutzutage nahezu 90 Prozent aller Eingriffe durch kleine Schnitte in der Bauchdecke erledigt. Durch vier weniger als einen Zentimeter große Öffnungen operiert das Ärzteteam, das Arbeitswerkzeug - winzige Skalpelle und eine Kamera - werden von außen bewegt, der Operateur erkennt auf einem Bildschirm, wie es im Inneren des Patienten aussieht.

Im vorigen Jahr wurde in Düsseldorf eine Operation bei einem Prostata-Patienten sogar mit nur einem einzigen Schnitt erledigt. Dieser Trend zu immer weniger und immer kleineren Schnitten berge aber bei allen Vorteilen auch Risiken, sagt Prof. Dr. Olaf Horstmann, Chefarzt der Chirurgie am Gerresheimer Sana-Krankenhaus.

Olaf Horstmann: Auf den ersten Blick mag das so sein, auf den zweiten sieht es aber schon wieder etwas anders aus. Natürlich hat der Patient Vorteile, weil sich die Rekonvaleszenz erheblich beschleunigt und im Gegensatz zu einer konventionellen Bauchöffnung mit einem gut 20 Zentimeter langen Schnitt keine große Narbe entsteht. Seit Mitte/Ende der 80er Jahre wird diese Methode genutzt, man muss im Rückblick aber ganz klar sagen, dass das Komplikationsrisiko für die Patienten durch die Einführung der laparoskopischen Eingriffe dramatisch angestiegen ist. Ich rede hier beispielsweise von schweren Verletzungen der Blutgefäße. Zumindest in der Anfangszeit war das so, im Moment scheint es sich etwas zu nivellieren, die schweren Komplikationen gehen in ihrer Häufigkeit zurück. Aber wir müssen schon konstatieren, dass es anfangs mehr Probleme gab. Vor allem, weil das Tempo, mit dem diese Methode eingeführt wurde, enorm war. Man muss allerdings sagen, dass schwere Komplikationen - so oder so - immer noch sehr seltene Ereignisse sind.

Horstmann: Das ist schwierig, weil man die konventionelle und minimal-invasive Chirurgie kaum miteinander vergleichen kann. Untersuchungen in NRW zeigen aber, dass die Häufigkeit von schweren Komplikationen, beispielsweise bei der minimal-invasiven Entfernung der Gallenblase, etwa dreimal so hoch ist.

Horstmann: Mit einem etwa zwei Zentimeter großen Zugang am Nabel wird ein Arbeitskanal gelegt, in dem drei Kanäle eingeschlossen sind, durch die operiert wird. Das ist ein sehr junges Verfahren, das aber schon mehr oder weniger standardisiert ist.

Horstmann: Natürlich. Übersicht und Handlungsfreiheit sind dadurch extrem eingeschränkt. Die Instrumente werden im spitzen Winkel in die Arbeitszugänge eingebracht, das macht die Sache viel schwieriger, die Reaktionsmöglichkeiten sind bei einem Zugang viel geringer als bei der herkömmlichen minimal-invasiven Methode. Im Moment ist die Methode deshalb nur bei einfachen Operationen möglich, etwa bei unkomplizierten Steinentfernungen. Man muss zudem die Patienten sehr genau auswählen.

Horstmann: Bis jetzt haben wir nur fünf Patienten auf diese Art operiert, und die Erfahrungen damit waren sehr gut. Aber ich sehe auch dieses Verfahren nicht ganz unkritisch. Deshalb bewerben wir diese Methode nicht offensiv.

Horstmann: Von der kosmetischen Komponente einmal abgesehen, kaum. Wieder das Beispiel Gallenblasenentfernung: Die Patienten kommen morgens, werden operiert und können das Krankenhaus am nächsten Tag wieder verlassen. Ob man das sinnvollerweise noch verkürzen kann, wage ich zu bezweifeln. Sie brauchen ja schon eine gewisse Zeit, um etwa Komplikationen zu erkennen.

Horstmann: Vor allem nach Medienberichten kommen Menschen und fragen: Können Sie das machen? Nach meinem Empfinden muss man deutlich darauf hinweisen, dass es derzeit noch nicht klar ist, ob die Sicherheit genau so groß ist wie bei den etablierten minimal-invasiven Eingriffen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den gleichen Fehler machen wie in den 90er Jahren und neue Möglichkeiten zu schnell übernehmen. Ganz klar: Nicht alles, was machbar ist, ist auch medizinisch sinnvoll.

Horstmann: Das ist wahrscheinlich so, gerade weil die kosmetischen Aspekte so wichtig sind. Wenn sie einem jungen Menschen Gallensteine entfernen, dann hat die optische Komponente sicherlich einen anderen Stellenwert als bei einem 70-jährigen Herrn. Darauf müssen wir auch Rücksicht nehmen.

Horstmann: Relativ neu ist die so genannte Notes-Chirurgie, bei der natürliche Körperöffnungen und nicht die Bauchdecke für die Zugänge genutzt werden. Die wahrscheinlich am weitesten entwickelte Methode dabei ist der transvaginale Zugang, der aber, wie der Name schon sagt, nur für die Hälfte der Patienten in Frage kommt. Eine Alternative dazu, die allerdings noch etwas experimenteller ist, ist der Weg durch den Magen. Über ein Endoskop wird im Magen eine künstliche Perforation angelegt, durch den in der Bauchhöhle operiert werden kann. Zum Beispiel bei der Entfernung des Blinddarms.

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