Meisterzwang: Der „goldene Boden“ hat ein Loch

Ob Meisterpflicht oder nicht: Alteingesessene Handwerksbtriebe haben es gegen Billigkonkurrenz immer schwerer.

Düsseldorf. Die Handwerkskammer Düsseldorf schlägt Alarm: Nachdem vor drei Jahren im Rahmen der Novellierung der Handwerksordnung 53 Handwerke aus der Zulassungspflicht herausgenommen wurden, hat sich die Zahl der neu eingetragenen Unternehmen in den nun zulassungsfreien Handwerken verdoppelt. Das ist problematisch, erklärt Kammersprecher Alexander Konrad, weil 92 Prozent der Firmenneuanmeldungen in diesem Bereich ohne nachgewiesene fachliche oder kaufmännische Vorqualifikation erfolgen. Das Handwerk mit dem Goldenen Boden scheint in Gefahr.

Beispiel Fliesenleger. Die Botschaft ist klar: Wer seinen Handwerksbetrieb nicht umstellen oder verkleinern kann, wird auf Dauer nicht konkurrenzfähig sein. So sieht es Fliesenlegermeister Bernward Morick (65). Der Senior-Chef des gleichnamigen alteingessenen Fliesenhandels am Rather Kreuzweg, 1948 vom Vater gegründet, hat den Stab bereits an seinen 38-jährigen Sohn weitergegeben, der jetzt in dritter Generation das Geschäft führt. 27 Beschäftigte arbeiten bei Morick, davon alleine 15 ausgebildete Fliesenleger und zwei Auszubildende. Dass sein Handwerk zu jenen gehört, die nicht mehr meisterprüfungspflichtig sind, deprimiert ihn. "Wir haben mit einem großen Imageverlust zu kämpfen. In unserer Branche wird jetzt viel rumgepfuscht."

Viele Aufträge würde an Billiganbieter gehen. Doch Morick ist es gelungen, Nischen zu finden. "An große Fliesen wagt sich kein Laie ran!" Was Morick verärgert, dass seit der Novellierung der Gewerbeschein vielfach dazu genutzt werde, um der im Baugewerbe verbotenen Leiharbeit nachgehen zu können.

Ein Drittel der Neugründer seien Ausländer, viele aus Polen. "Die arbeiten zu Preisen, die ein Unternehmen mit Fachkräften und höheren Fixkosten nicht bieten kann." Von zehn geschriebenen Aufträgen bekomme man vielleicht einen. Allerdings zeige die Zahl der Löschungen bei der Handwerkskammer auch, dass viele solcher Betriebe nach kurzer Zeit wieder schließen würden. Alleine im Bereich der Fliesenleger sind von 2000 neu eingetragenen Firmen seit 2004 20 Prozent geschlossen worden.

Damit trage auch der Verbraucher ein Risiko, fährt Morick fort: "Ich hatte den Fall, dass ein Privatmann bei der Verlegearbeit Geld sparen wollte und sich für einen Billiganbieter entschied. Die Arbeit wurde, das zeigte sich nach einiger Zeit, schlecht ausgeführt. Als die ersten Schäden sichtbar wurden, konnte der Fliesenleger nicht mehr haftbar gemacht werden, weil er seinen Betrieb längst wieder aufgegeben hatte."

Solche Probleme kennt Arndt Linn nicht. Er und sein Bruder Ulrich führen seit zehn Jahren die Bauunternehmung Albert Linn GmbH mit Sitz in Lohausen in dritter Generation mit zur Zeit 20 Beschäftigten und zwei Auszubildenden. Maurer, Putzer, Stuckateure und Zimmerleute arbeiten hier - alles Handwerke mit Zulassungspflicht.

"Es handelt sich ja auch zum größten Teil um Berufe, die bei nicht fachgerechter Ausführung eine Gefahr für Leib und Leben Dritter darstellen", erklärt Ulrich Linn, Maurermeister und staatlich geprüfter Hochbautechniker.

Zahlen Insgesamt 51 000 Unternehmen mit 300 000 Beschäftigten sind in der Handwerksrolle der Kammer Düsseldorf, zu der auch weite Teile des Bergischen Landes und des Niederrheins gehören, eingetragen - damit sind die Düsseldorfer deutschlandweit der größte Kammerbezirk.

Meisterzwang Fliesenleger, Estrichleger, Uhrmacher, Apparatebauer, Goldschmied, Schuhmacher, Raumausstatter, sogar der Siebdrucker gehören unter anderem zu den 53 von 95 Handwerken, die seit drei Jahren praktisch jeder Laie ausüben kann. Keine Ausbildung, kein Gesellen- oder Meisterbrief, wer will, braucht nur noch angelernt zu werden, so wollte es seinerzeit die rot-grüne Bundesregierung.

Selbstständigkeit Der Anteil der gemeldeten zulassungsfreien Handwerksbetriebe bei der Kammer in Düsseldorf hat sich seit dem Januar 2004 von 4000 auf 7500 nahezu verdoppelt. Während zum Beispiel 2003, im Jahr der Gesetzesreform, nur 75 Neueintragungen in den betroffenen Sparten registriert wurden, waren es ab 2004 jährlich über 1000.

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