Düsseldorf „Medienhafen ist abends wie ausgestorben“

Podiumsdiskussion zur Zukunft: Immer mehr Menschen arbeiten hier, aber der Stadtteil hat Defizite.

Dass eine Dialog-Veranstaltung durchaus ertragreichen Dialog haben kann, zeigte die Podiumsdiskussion der Wirtschaftsjunioren im Medienhafen. Zum Thema „Medienhafen 2020: Hot Spot or Not Spot“ betrat auch die Planungsdezernentin Cornelia Zuschke das Podium. Und ging mit zwei Arbeitsaufträgen wieder nach Hause: So könnte der Denkmalschutz für die Gleise auf der Straße am Handelshafen zugunsten von Gastronomiebestuhlung verworfen werden. Außerdem nahm sie die Anregung aus dem Publikum mit, die wenigen und oft in zwei Reihen zugeparkten Parkplätze auf der Kaistraße und dem Zollhof ganz zu streichen, dafür die Kapazitäten der Parkhäuser zu verbessern.

Düsseldorf: „Medienhafen ist abends wie ausgestorben“
Foto: IHK

Der Medienhafen hat im Jahr 2020 vor allen Dingen eines: Mehr Menschen, die hier arbeiten. Allein mit der neuen Trivago-Zentrale, die bis dahin fertig gebaut sein soll, kommen 4000 neue Mitarbeiter, im Durchschnitt um die 30 Jahre alt. Derzeit arbeiten etwa 10 000 Menschen im Hafen. Und das stellt den Hafen vor Herausforderungen: Schon jetzt ist die Verkehrssituation problematisch, das gastronomische Angebot am Abend dürftig, Nahversorgung gibt es nicht und bezahlbares Wohnen schon gar nicht. Viele Themen kamen bei der Diskussion am Donnerstagabend auf dem „Skydeck“ der Kanzlei Noerr an der Speditionstraße auf den Tisch, manches konnte geklärt werden.

Düsseldorf: „Medienhafen ist abends wie ausgestorben“
Foto: M. Zanin

Die Runde auf dem Podium komplettierten Christian Freiherr Göler von Ravensburg, der erste Vorsitzende des Medienhafen e.V., der Gastronomieberater Markus Eirund, Start-up-Unternehmer Carsten Dolch, dessen Firma im Medienhafen ansässig ist, und IHK-Geschäftsführer Ulrich Biedendorf. Ein Überblick über die Themen.

„Der Hafen als Stadtteil hat die größten Unterschiede, was die Tag-Nacht-Belebung angeht. Abends ist er wie ausgestorben“, sagte Mark Klein aus dem Vorstand der Wirtschaftsjunioren, die zu der Diskussion eingeladen hatten. Eine Zäsur in der Ausgeh-Geschichte des Medienhafens stelle der Bau des Hyatt-Hotels und der damit verbundene Wegfall des Stadtstrands Monkey Island dar, davon ist Markus Eirund überzeugt. „Seitdem ist es nicht mehr bergauf gegangen mit dem Hafen.“ Er selbst spaziere abends auch nicht gerne den verlassenen Pier entlang, die Straßenbeleuchtung sei viel zu dunkel, Bars und Restaurants direkt am Wasser gebe es zu wenig. Eirund sprach die fehlenden Möglichkeiten für Außenterrassen wegen der denkmalgeschützten Gleise an — Bestuhlung ist auf diesen nicht erlaubt. Cornelia Zuschke entgegnete: „Die Zeiten ändern sich. Wieso soll es nicht möglich sein, das Denkmalkonzept an dieser Stelle zu überdenken und ein paar Stühle dahin zu stellen?“

Für neue Gastronomen sei der Hafen als Standort eine Herausforderung, so Eirund, allein vom Mittagsgeschäft könnten die wenigsten überleben, so Eirund. Mehr Belebung des Hafens würde mehr Sicherheit für die Betriebe bedeuten.

Ein bereits mehrfach diskutierter Vorschlag stieß auf viel Gegenliebe, auch im Publikum: Wassertaxis, die den Hafen näher an die Altstadt heranrücken lassen. Die Idee werde nun erneut auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft, daran könne sich auch der Medienhafen e. V beteiligen, schlug Christian Göler vor. Cornelia Zuschke und Ulrich Biedendorf konnten berichten, dass zumindest die rechtlichen Voraussetzungen gegeben wären.

Ulrich Biedendorf machte sich vor allem in einem Punkt stark: Der Handelshafen habe seine Bedürfnisse und die müssten geachtet werden. Das heißt im Klartext: Wohnbebauung auf der Kesselstraße, wie von manchen im Publikum gewünscht, kommt nicht in Frage. Die Kesselstraße müsse als Grenze zwischen Wohnen und Industrie („Und wir reden hier von schwerer Industrie, Tag und Nacht, auch mit Chemikalien“, so Biedendorf) erhalten bleiben. Denn wo gewohnt werde, gebe es Rechte — und die könnten die Arbeit des Hafens einschränken. Das sieht auch Dezernentin Zuschke so, was aber denkbar wäre, sei eine Kita auf der Kesselstraße. Dort gebe es auch die dafür nötigen Freiflächen. Der Wettbewerb für die Gestaltung der Straße werde gerade vorbereitet, in etwa einem Jahr gebe es einen Gewinner und konkrete Pläne. Möglichkeiten der Wohnbebauung über die bereits genehmigten Hochhäuser des Projekts „Heimathafen“ an der Speditionstraße hinaus gebe es im Hafen einfach nicht, so Zuschke.

Die Pläne des Architekten Christoph Ingenhoven — der Pier am Ende der Kesselstraße und die Verbindung der drei Finger mit Brücken — würden mit den Zukunftsplänen des Industriehafens nicht kollidieren. Aber auch hier sei eine Ausdehnungsgrenze erreicht, sagte der Geschäftsführer der Neuss Düsseldorfer Häfen, Rainer Schäfer, der der Diskussion im Publikum beiwohnte. Der Industriehafen müsse auch noch wachsen können. 2016 waren die Bedingungen des Ausbaus Medienhafen mit dem Industriehafen vereinbart worden — und die Kesselstraße als magische Grenze festgelegt.

Alle elf Mitarbeiter von Start-up-Unternehmer Carsten Dolch würden beim Weg zur Arbeit auf das Auto verzichten und den ÖPNV nutzen. „Ich bekomme dann aber regelmäßig die Mails, dass es wieder eine halbe Stunde später wird. Und abends kommt man kaum noch raus aus dem Hafen“, kritisierte der Geschäftsführer von Fox Base. Eine heiße Debatte um die Mobilitätswende entspann sich um das Thema, kurz wurde den einst verworfenen Plänen einer Straßenbahn auf der Hammer Straße nachgetrauert. Denn zu den Hauptverkehrszeiten gibt es jede Menge Stau im Medienhafen. Das Auto ganz aus dem Hafen verbannen, das wollte aber auch Cornelia Zuschke nicht. Am Ende war es Carsten Dolch, der anmerkte, mehr oder andere Car-Sharing-Angebote könnten Abhilfe schaffen. „Die Mitarbeiter könnten dann mit dem Rad oder der Bahn zur Arbeit kommen, für einen Termin mit einem Kunden aber spontan auf ein Auto zugreifen, ohne dass es morgens und abends zum jetzigen Verkehrschaos kommt.“ Der Vorschlag, das Parken an Kaistraße und Zollhof zu verbieten, kam aus dem Publikum und wurde mit Beifall bedacht, zur großen Verwunderung Zuschkes: „Wenn ich mal vorschlage, irgendwo Parkplätze zu streichen, rechne ich mit Eiern und Tomaten in meine Richtung. Ich bin beeindruckt.“

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