Martin Wistinghausen: Komponierender Sänger, singender Komponist

Er macht beides: Er singt bei den Bayreuther Wagner-Festspielen und komponiert für den „Klangraum“ in Flingern am 7. Juli.

Martin Wistinghausen: Komponierender Sänger, singender Komponist
Foto: Wistinghausen

Düsseldorf. Martin Wistinghausen (39) ist immer auf Achse. In Sachen Alter und zeitgenössischer Musik. Manchmal auch in Sachen Richard Wagner. Zwischen der Rheinmetropole, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Abstechern nach Zürich. Gerade kommt der Düsseldorfer mit vielen Talenten, der sich gerne als „singenden Komponisten und komponierenden Sänger“ bezeichnet, zurück aus dem Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf in Brandenburg. In der Natur-Idylle des einstigen Wohnsitzes des Romantikerpaares Bettina und Achim von Arnim verfasste er als Stipendiat das Stück „Wasserbilder“, das Ende September in der St.-Antonius-Kirche in Oberkassel aus der Taufe gehoben wird.

Doch zunächst packt er in seiner Oberbilker Wohnung die Koffer für Bayreuth. Seit neun Jahren singt er als Bass während der Wagner-Festspiele im Festspiel-Chor. Bis Ende August. Zwischendurch kehrt er in seine Heimat zurück: Beim Klangräume-Festival tritt er am 7. Juli im "Klangraum 61" (Mettmanner Straße 61) auf.

Auf dem Programm steht „De Profundis“ — ein Stück, das der hochgewachsene, mit einer kernigen tiefen Sprech-Stimme ausgestattete Wistinghausen 2016 schrieb: für Bass, indische Handorgel (Shruti-Box genannt) und Elektronik, nach einem Text von Georg Trakl. In Anlehnung an den 130. Psalm „Aus der Tiefe rufe ich, Herr zu Dir“ kommt in diesem Werk Wistinghausens volle, kultivierte, in Höhen und Tiefen schlank geführte Stimme mannigfach zum Einsatz. Denn wie in vielen seiner Werke hört man ihn nicht nur singen, sondern auch hauchen, sprechen und flüstern.

Die Freude an Klang-Experimenten konnte man bereits 2012 in der Neanderkirche bewundern — in einem Stück für Bass-Stimme und Orgel, uraufgeführt bei den Sommerlichen Orgelkonzerten.

Die Mehrfach-Begabung erkannten bereits seine Lehrer an der Clara-Schumann-Musikschule, wo der einstige Waldorf-Schüler schon früh in Gesang und Komposition ausgebildet wurde. Es folgten Magisterstudien an ersten Adressen der Branche, an der Kölner Musikhochschule, in Mannheim und am Salzburger Mozarteum. Dort bei der renommierten Adriana Hölszky (die u.a. zwei Tanzstücke für Martin Schläpfer kreierte), in Köln beim Opern-Bass Kurt Moll. Wen wundert’s da, dass Wistinghausen besonders gerne und intensiv neue Stücke für die menschliche Stimme schreibt. Bei „De Profundis“ erkennt man zudem seine Breitbandbildung, die Begeisterung des Viel-Lesers für Literatur und sein Interesse an existenziellen Fragen der Menschheit.

Komponieren — „da sitzt man meist allein am Schreibtisch“, sagt er. Da verliere man schnell den Realitätsbezug. Deshalb musiziert er gerne in einem Ensemble, singt als Gast in Chören, wie in Bayreuth. „Weil ich Musik von Richard Wagner sehr schätze.“ Es mache Spaß mit den Kollegen, die aus der ganzen Welt rekrutiert werden, die Chorpassagen zu „Parsifal“, „Tannhäuser“ oder „Lohengrin“ einzustudieren. Meist mit erstklassigen Dirigenten, manchmal auch mit exzentrischen Regisseuren. Das Engagement bindet ihn zwar zweieinhalb Monate im Jahr, sichere ihm aber, als Freiberufler, ein gutes Einkommen. Außerdem ist das Renommee des Festspielchores groß: 2014 wurde er mit dem Opera Award als bester Opernchor der Welt ausgezeichnet.

Eine weitere Leidenschaft des komponierenden Sängers: Musik aus Barock und Renaissance. So ist er auch als Oratoriensänger und Solist gefragt, nicht nur zur Oster-, Advents- und in der Weihnachtszeit. Häufig in Düsseldorf, im Ruhrgebiet, Köln, Aachen und Umgebung. In dieser Region sei die Dichte an Kirchenmusik besonders hoch, sagt Wistinghausen, der sich in den letzten Jahrzehnten ein dichtes Netzwerk aufgebaut hat. Ein Muss für freischaffende Musiker.

Kompositionsaufträge und Auszeichnungen hat er einige erhalten, so 2017 Düsseldorfs ‚Kantoren-Kompositions-Stipendium’. Das schließt die Uraufführung seines neuen Opus „Wasserbilder“ ein — ein Stück für drei Solostimmen, Chor, Flöte, Cello, Orgel und Schlagwerk. Darin verarbeitet er Texte rund das Thema Wasser, unter anderem Zitate aus der Bibel und Gedichte von Günter Eich oder Paul Klee. Inspirieren ließ er sich auch von der Emporenorgel in St. Antonius, die 2016 eingeweiht wurde und über neuartige Schlagwerk-Register verfügt, Marimba- und Vibraphon inklusive. Auch diese Sounds können in einem Gotteshaus der Andacht dienen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort