Mahnmal für die deportierten Juden am alten Güterbahnhof

Vor 70 Jahren wurden Juden von Derendorf aus in den Tod geschickt. Jetzt gibt es ein neues Mahnmal.

Düsseldorf. Nur eine kleine Bronzetafel erinnerte vor Ort bisher an die Leidenszeit der jüdischen Mitbürger. Mit der Einweihung eines Mahnmals zum Gedenken an die Deportationen am Sonntag kommen nun auch Ideen engagierter Bürger aus den letzten Jahren zum Tragen, eine würdevolle Gedenkstätte gegen das Vergessen einrichten.

Wo heute ein neuer Stadtteil (Quartier Central) in Düsseldorf aufblüht und passend zum französischen Flair des Areals die Toulouser Allee entlang der stark gestutzten Bahnstrecke das ehemalige Güterbahnhofs-Gelände an die alten Stadtteile anbindet, sah es vor genau 70 Jahren noch ganz anders aus: Statt blühendem Leben wurden am 22. April 1942 Menschen wie Vieh in Eisenbahnwaggons zusammengepfercht und in den Tod abtransportiert. In behördlichen Akten hieß es „evakuiert“.

Von Oktober 1941 bis Januar 1945 liefen Massendeportationen von über 6000 jüdischen Mitbürgern aus dem gesamten Gestapobezirk Düsseldorf in Ghettos und (Vernichtungs-)Lager „im Osten“. Der zentral gelegene Schlachthof zwischen Rather Straße und Eisenbahngleisen diente dabei als Sammelstelle. Hier mussten sich die Menschen abends vor den Transporten in den kalten und leeren Hallen einfinden, bevor es dann, manchmal auch um vier Uhr morgens, zu Fuß unter Bewachung zu den Verladerampen des Güterbahnhofs ging.

Danach wurde werktags im Schlachthof weiter gearbeitet, also geschlachtet — als wäre nichts gewesen. Bei diesen präzise geplanten Abläufen arbeiteten viele behördliche Institutionen zusammen. Polizeikräfte übernahmen Abriegelungen und Bewachungen, Finanzbeamte listeten Beschlagnahmtes auf, das Wohnungsamt sammelte Türschlüssel ein und entschied über die weitere Nutzung der Wohnungen, die Juden mussten Leibesvisitationen und eine Suche nach Wertgegenständen durch Gestapo-Beamte über sich ergehen lassen.

In Archivunterlagen befinden sich etliche Zeitzeugenberichte über diese schrecklichen Ereignisse. Dem Bericht eines leitenden Schutzpolizisten, Paul Salitter, ist u.a. zu entnehmen, dass auf dem Weg zu den Zügen „ein männlicher Jude versuchte, Selbstmord durch Überfahren mittels der Straßenbahn zu verüben“. Ein anderer Fluchtversuch endete in einem Wohnhaus entlang des Weges, wo eine Putzfrau die ältere Jüdin der Polizei verriet. Salitter führte für einen Transport auch eine Strichliste über die Menschen an der Abfahrtsrampe — so wurde jeder einzelne Mensch zu einem gekritzelten Strich.

Und keiner der Anwohner will gesehen haben, was sich da zwischen Rather Straße, Augustastraße oder Derendorfer Güterbahnhof abgespielt hat? Bei Stadtführungen zum Thema „Güterbahnhof Derendorf“ kommen heutzutage schon einmal Anwohner aus den Häusern und verleugnen diesen dunklen Teil Düsseldorfer Stadtgeschichte. Auch deshalb ist sie wichtig: die Gedenkstätte gegen das Vergessen — und das Leugnen.

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