Literatur: Fasziniert von der dunklen Seite

Der Düsseldorfer Polizist und Autor Stephan Harbort schreibt über Serienmörder und meuchelnde Frauen.

Düsseldorf. Gerade erst ist Stephan Harborts neuestes Buch "Wenn Frauen morden" erschienen und die ARD zeigt eine Dokumentation über meuchelnde Damen, an der Harbort mitwirkte. Aber der Düsseldorfer Polizist sitzt schon wieder am Schreibtisch, verfasst sein nächstes Werk unter dem Arbeitstitel "Verheiratet mit einem Serienmörder".

Seit fast 20Jahren ist Harbort fasziniert von der dunklen Seite des Menschen - und getrieben von der Tatsache, dass er noch immer nicht erklären kann, warum jemand immer wieder töten muss.

Stephan Harbort erinnert sich genau an den Tag, der den Keim zu dieser Leidenschaft legte. Er war ein junger Kriminalstudent und in Duisburg eingesetzt. An einem Tag - nach Harborts Erinnerung war es wohl 1990 - kam ein junger Mann auf die Wache, der seinen Stiefvater vermisst melden wollte.

Doch bei der Vernehmung verhedderte er sich schnell in Widersprüche. Schließlich gestand er, über anderthalb Jahre zuerst seine Stiefschwester, dann seine Ex-Freundin und schließlich den Stiefvater getötet zu haben. "Mich hat dieser Fall sehr bewegt", sagt Harbort.

Schon vorher hatte er ein Faible für wissenschaftliche Untersuchungen und Statistik. Allerdings befasste er sich da noch mit Themen wie Alkohol im Straßenverkehr - kein spannender Plot im Vergleich zum gattenvergiftenden Blaubeer-Mariechen aus Harborts aktuellem Buch.

Insofern kann Stephan Harbort dankbar sein für die zufällige Begegnung mit dem Mörder. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten - die Staatsanwaltschaften wollen dem jungen Polizisten zunächst keinen Einblick in die Mordakten gewähren - legte er los. Sein erstes Buch "Das Hannibal-Syndrom" hat sich bis heute 40000 Mal verkauft.

"Die Neugier, menschliches Verhalten zu verstehen, war schon immer da", sagt der heute 43 Jahre alte Polizist. Nur dass er an einem extremen Rand des menschlichen Verhaltensspektrums nach Antworten sucht. "Dort liegt noch so viel im Verborgenen." Aber Harbort ist sicher: Wenn er erklären könnte, wie ein Mensch zur Tötungsmaschine wird - wie Erziehung, Gene, Psyche und mögliche andere Faktoren zusammenwirken -, dann wäre auch so ziemlich jedes weniger krasse Verhaltensmuster erklärbar.

Auch einen präventiven Gedanken hat er bei seiner Arbeit im Hinterkopf. Denn er ist sicher: "Wer einmal tötet, läuft sein Leben lang Gefahr, wieder zu töten." Wir haben demnach weit mehr potenzielle als tatsächliche Serienkiller.

Mit über 50 Mördern hat Stephan Harbort bis heute selbst gesprochen. Sein privates Archiv umfasst 250 dicke Ordner mit Akten über Mordserien. Und trotzdem fuchst eine Erkenntnis den 43-Jährigen immer wieder zu neuen Studien und Büchern: "Es ärgert mich sehr - aber ich werde die Erklärung, warum ein Mensch zum Serienmörder wird, in meinem Leben nicht mehr finden."

Immerhin: Harbort hat durch seine Studien Fahndungsmethoden entworfen, um die Bewegungsmuster eines Killers zu analysieren. International werden diese Erkenntnisse in der Praxis eingesetzt. Und wer die populärwissenschaftlichen Werke des Düsseldorfers gelesen hat, weiß, dass das Böse nur ein einzelner Charakterzug der Mörder ist - nicht ihr ganzes Wesen.

Harbort hat ein kleines Licht auf die dunkle Seite geworfen. Damit muss er sich wohl zufriedengeben. Nach seinem nächsten Buch über die Familien der Täter wird er noch eine Biografie über einen einzelnen Killer schreiben - dann kehrt er den Mordserien den Rücken. Zumindest den realen: In Harborts Schublade liegt schon ein fertiges Konzept für eine Kriminalroman-Reihe.

“ Montag um 21 Uhr zeigt die ARD den letzten Teil der Serie über mordende Frauen.

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