„Zu den Studenten fällt mir nichts mehr ein“

Die Künstlerin, die 50 Jahre lang die Kunstszene fotografiert hat, hört enttäuscht auf.

Düsseldorf. Erika Kiffl ist die berühmteste Dokumentaristin der Düsseldorfer Kunstszene. Sie hat die Anfänge von Gerhard Richter, Konrad Klapheck und vielen anderen Stars erlebt und mit ihrer Rolleiflex-Kamera begleitet. Im polnischen Institut, wo sie ihre Fotos von 1989 zu einer Solidarnosc-Ausstellung in Düsseldorf und Warschau zeigt, sprachen wir mit ihr.

Frau Kiffl, Sie haben ein halbes Jahrhundert keine Vernissage und keinen Rundgang verpasst. Ihre Fotos sind berühmt, denn sie zeigen immer auch die Atmosphäre, in der die Kunst entstand. Wer gab Ihnen den Auftrag?

Erika Kiffl: Niemand. Ich war in der Werbung tätig und habe sie verlassen, eben weil ich keine Aufträge mehr annehmen wollte. Ich habe aus Begeisterung und Neugierde die Ateliers besucht. Viele heute berühmte Maler und Bildhauer waren noch ganz jung, als sie mich in ihre Ateliers ließen.

Und nun plötzlich erklären Sie, dass Sie keine Fotos mehr machen. Gibt es einen Grund dafür?

Kiffl: Ich denke, meine Zeit zu fotografieren ist vorbei. Jedenfalls kann ich mit den jungen Leuten von der Kunstakademie nichts mehr anfangen. Mir fällt zu ihnen nichts mehr ein. Ich lache mich ja eigentlich kaputt darüber, was die heute alles anstellen. Deshalb fotografiere ich nicht mehr.

Das ist ja ein hartes Urteil. Was gefällt Ihnen an der jungen Szene nicht mehr?

Kiffl: Das merkantile Gehabe. Bei den Rundgängen verkaufen junge Leute, die noch nichts vorzuweisen haben, Bildchen zu Mondpreisen. Die Anfänger glauben, sie seien schon berühmt, wenn sie auf die Akademie gehen.

War der Respekt vor der Kunst früher ein anderer?

Kiffl: Völlig anders. Der Druck, verkaufen zu müssen, hat sich in den letzten 20 Jahren enorm erhöht. Die Jugend von heute drängt sofort auf den Markt, ohne sich und ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Sie macht einfach ein paar Striche auf das Papier oder die Leinwand und denkt, damit sei es getan. Ich habe Goller, Klapheck, Graubner, Uecker, Lüpertz und Richter gesehen, wie konzentriert sie gearbeitet haben. Ich war dabei, wie die Künstler Zeit hatten und sich Zeit nahmen, um sich auszudrücken.

Und heute?

Kiffl: Heute wird man schon als Student dazu gebracht, Ausstellungen zu machen. Der junge Mensch wird hochgejubelt, und nach dem Studium wird er wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. An diesem Spiel will ich mich nicht beteiligen.

Aber diese Entwicklung gibt es doch seit langem. Schüler aus der „Immendorff-Klasse“ brachten Kisten voller Bilder zum Rundgang mit. Nach vier Tagen waren die Kisten leer, und die jungen Leute schleppten nun die Großformate für die Sammler herbei. Sind nicht auch die Käufer schuld an dieser Entwicklung, früh, aber teuer einzukaufen?

Kiffl: Früher war die Situation auch von Museumsseite anders. Ulrich Krempel, damals Ausstellungsleiter der Kunstsammlung, und Stephan von Wiese, damals am Kunstmuseum für die Moderne zuständig, präsentierten das Milieu des Provisorischen, den bewusst unperfekten Aufbau einer Ausstellung. Aus dem Zufälligen, Unakademischen, scheinbar Konzeptlosen entwickelten sie den Grundgedanken des Neuanfangs. Heute stellen die Museen nur noch die gesicherten Namen aus. „Spot on“, die junge Reihe im Kunstpalast, findet in Räumen hinter Museumsshop, Kasse und Garderobe statt. Da lässt sich keine Kunst entwickeln und kein Künstler fördern.

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