Wo Skulpturen erst wirklich werden

Die Kunstgießerei Schmäke genießt Weltruf. Das Stadtmuseum würdigt den Familienbetrieb mit einer Ausstellung.

Wo Skulpturen erst wirklich werden
Foto: Thomas Frank

Der Radschlägerbrunnen von Alfred Zschorsch, das Stadterhebungsmonument oder das Denkmal für Mutter Ey, beide von Bert Gerresheim — auf den öffentlichen Plätzen Düsseldorfs wimmelt es von Skulpturen, Denkmälern und Brunnen. Die Künstler sind bekannt. Wie genau die Modelle in Bronze oder Aluminium gegossen werden, tritt jedoch meistens in den Hintergrund. Hier kommen die Kunstgießereien ins Spiel. Ohne sie könnten Bildhauer ihre Entwürfe nicht umsetzen.

Wo Skulpturen erst wirklich werden
Foto: Thomas Frank

Eine der renommiertesten Kunstgießereien Europas sitzt seit über 90 Jahren in Düsseldorf: die Kunstgießerei Schmäke. Das Stadtmuseum widmet dem 1926 gegründeten Unternehmen eine Ausstellung. Direktorin Susanne Anna hat ein facettenreiches „Porträt“ der Firma in drei Kapiteln entwickelt. Zunächst wird das Handwerk der Kunstgießerei vorgeführt, mit dem die Schmäkes sich so einen exzellenten Ruf erworben haben. Auf Holzpaletten und an Wänden trifft der Besucher zunächst auf die Arbeitsgeräte. Tiegel, Gießzangen, Gießscheren, Gießlöffel aus Eisen, ein Amboss, ein Ziselierschemel oder Blöcke aus Bronze. Ein paar Schritte weiter werden schließlich die einzelnen Schritte eines Gussverfahrens plastisch vermittelt. Nachzuvollziehen anhand der Skulptur „Bright Eyes“ von Bildhauer Michael Dekker.

Am Anfang steht ein Wägelchen mit Schamottsteinen. Diese werden zu einer plastischen Masse verarbeitet. Damit wird die Skulptur — ein gitterartiges Gerüst aus Wachs, durch das sich Holzlatten schlingen — eingeformt. Die Skulptur steckt nun unsichtbar in einem Schamott-Block. Im Trockenofen wird die Form bei 800 Grad ausgeschmolzen und dann mit flüssigem Aluminium ausgegossen. Danach wird der Schamott-Mantel zerstört und abgeklopft.

Bleiben noch die Ziseleure, die den mit Hubbeln, Zacken und Spitzen übersäten Rohguss ziselieren, schleifen und polieren. Am Schluss steht die Skulptur so da, wie der Auftraggeber es wollte: ein sich nach oben streckendes Gebilde aus ineinander verdrehten und verkanteten Latten. Luftig und weiß glänzend. Das zweite Kapitel bringt die Unternehmensgeschichte der Kunstgießerei Schmäke näher. Mit einem eigens installierten Archivraum. Regale mit Ordnern, Mini-Bibliothek, Schubladenschränke und Wandexponate. Zu entdecken sind persönliche Dokumente aus dem Firmenarchiv, etwa Personalausweis, Trauschein und Heiratsanzeige von Herbert Schmäke, dem Sohn des Gründers Gustav, oder der Goldene Meisterbrief für Karl-Heinz Schmäke, der das Unternehmen in Oberbilk nun in dritter Generation leitet. Signierte Fotos von Künstlern wie Bert Gerresheim oder berühmten Persönlichkeiten wie Papst Benedikt XVI. zeugen davon, wie eng die Schmäkes mit ihren Auftraggebern in Kontakt stehen.

Das dritte Kapitel erweist sich als das beeindruckendste: Auf Paletten-Podesten, Tischen oder an Wänden hängen, liegen oder stehen sie: Skulpturen, Denkmäler, Reliefs, Plaketten oder Siegelringe. Vom kleinsten Objekt bis zur großen Skulptur, auch Negativformen aus Silikon und Gips - alles dabei. Kreiert von Bildhauern mit Rang und Namen. Zu den besten Kunden und Freunden zählt Markus Lüpertz. Über hundert Werke hat die Kunstgießerei Schmäke bereits für ihn gegossen. Das Stadtmuseum präsentiert etwa seinen bronzenen „Fragonard“, ein schwarzes, armloses und deformiertes „Akt-Porträt“ des Rokokomalers Jean-Honoré Fragonard. Auch Bert Gerresheim geht bei den Schmäkes ein und aus. Seine Werke und Entwurfsmodelle sind in der Schau am häufigsten vertreten, vom Heine-Relief über das Stadterhebungsmonument bis hin zum Mutter Ey-Denkmal.

Und auch wer Günter Ueckers Nagelobjekte nicht mehr sehen kann, hier erscheinen sie wieder in ungewohntem Licht. Etwa wenn seinem schwarzen Nagelkreuz aus Bronze die Negativform aus Wachs gegenübergestellt wird, ummantelt mit Silikon und Gips. Eine im wahrsten Sinne des Wortes plastische Ausstellung über ein Metier, das beim Betrachten von Kunst leider zu sehr vernachlässigt wird. „Die Geschichte der Kunstgießerei Schmäke“ ist ein wichtiger Schritt, dies langsam zu ändern.

Die Schau ist noch bis zum 29. Juli im Stadtmuseum zu besichtigen.

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