„Wallenstein — für mich das Schwerste“

Dominique Horwitz spielt ab Dienstag Schillers Feldherrn im Großen Haus. Dabei musste er sich selbst „in der Garderobe“ lassen.

„Wallenstein — für mich das Schwerste“
Foto: Matthias Horn

Düsseldorf. Das Theaterspielen bedeutet mir alles, bekennt Dominique Horwitz, den viele Zuschauer wohl häufiger im Kino und Fernsehen als auf der Bühne gesehen haben. Hasko Weber, Intendant am Nationaltheater in Weimar, hat den Darsteller als Wallenstein in Szene gesetzt. Mit neun Vorstellungen gastiert die Aufführung im Großen Haus.

Herr Horwitz, Sie spielen Schillers Wallenstein in Weimar. Dort, wo das Stück unter Leitung Goethes vor 215 Jahren uraufgeführt wurde. Zugleich wohnen Sie in Weimar. Ist das nur praktisch oder ein besonderes Zusammenspiel?

Horwitz: Es war ursprünglich eine große und reizvolle Aufgabe, die eben in Weimar stattfindet. Was nicht nur praktisch war, sondern auch äußerst selten. Und damit ein Glücksfall und zunächst einmal nichts anderes. Es hat sich gewandelt, nachdem die Aufführung so erfolgreich wurde. Für die Zuschauer ist es etwas Besonderes Wallenstein in Weimar zu sehen. Es ist fast, wie dort „Faust“ zu erleben. Nein, vielleicht mehr, weil „Wallenstein“ als Gesamtwerk so selten gespielt wird. Das wurde mir aber erst nach der Premiere bewusst.

Die Rolle des Wallenstein, ist das ein Solitär in Ihrer Laufbahn als Schauspieler?

Horwitz: Absolut, ein wirklicher Solitär. Anders als andere Charaktere, die auf der Bühne zum Ausruck bringen, was sie fühlen und denken, ist und bleibt Wallenstein auf ewig ein Geheimnis. Und nicht nur den Zuschauern, zuweilen auch mir.

Was ist besonders?

Horwitz: Bei unserer Fassung handelt es sich um einen Polit-Krimi. Es geht nur um Macht, auch wenn es sich dabei um einen Religionskrieg handelt. Ein sehr heutiges Thema, oder ein ewig gültiges Thema. Die Figur eines Mannes, der sich nicht in die Karten gucken lässt, der ein sich überschätzender Diplomat war, ist mir temperamentsmäßig nicht gerade auf den Leib geschrieben. Wenn ich einen Raum betrete, weiß jeder, was ich denke und was ich fühle. Die Aufgabe war, dem spannenden Plot zu dienen und den privaten Dominique Horwitz gänzlich in der Garderobe zu lassen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Wallenstein?

Horwitz: Was mich von Wallenstein unterscheidet ist, dass er niemals von sich sagen würde, er sei ein leidenschaftlicher Mensch.

Wenn man so eine Rolle angetragen bekommt als Schauspieler, was denkt man dann?

Horwitz: Was mich wirklich interessiert, ist die Herausforderung. Ich brauche kein großes Rollen-Portfolio, ich muss nicht sagen: Wallenstein gemacht und abgehakt. Ich brauche die Strapaze, ich muss sagen müssen: Keine Ahnung, wie sich das gestalten lässt. Mit der Schillerschen Sprache betritt man ohnehin die Königsklasse. Wallenstein ist mit Sicherheit das Schwerste, was ich bisher gemacht habe.

Hat Schillers Wallenstein Ihren Blick auf Politikerpersönlichkeiten verändert?

Horwitz: Seit ich Politiker bewusst wahrnehme, sehe ich unterschiedliche Typen. Ich kennen noch Brandt, Schmidt, Wehner und Strauß — diese Urgesteine, kantig, mit Charisma und Visionen. Dann erlebt man Politiker wie Schröder, die sich mit der Hand in der Hosentasche auf dem politischen Parkett so verhalten wie bei Gottschalk auf der Couch. Eine Art von Politikerpersönlichkeit, die mich eher ratlos zurücklässt. Es gibt die Garde, die uns jetzt beschäftigt: Frau Merkel, Herr Putin. Das sind Menschen, die charakterlich so strukturiert sind, dass sie ihren Beruf an dem messen, was sie zu erreichen vermögen. Und sich nicht an der Wahrnehmung der Medien messen lassen. Das ist die Ebene, die in Wallenstein präsent ist. Er ist ein charismatischer Mann, der seine Truppen zusammenhält. Putin hält auch seine Truppen zusammen. Erfolg macht im Auge des Betrachters charismatisch. Das ist das spannende am Stück: Der Zuschauer kann sich konsequent auf die Ebene einer heutigen politischen Inszenierung begeben.

Sie kennen das Düsseldorfer Schauspielhaus, haben hier häufiger gespielt. Kann man diese Produktion einfach in eine andere Stadt bringen?

Horwitz: Aber selbstredend. Jacques Brel wird ja auch nicht nur in Belgien gesungen. Wenn ein Stück über Macht, Intrige und Verblendung gespielt wird, dann ist Düsseldorf als Landeshauptstadt wahrscheinlich sogar der richtigere Ort als Weimar. Weimar ist bloß die Stadt Schillers, bloß der Ort der Uraufführung.

Vier Stunden 35 Minuten, das ist für den einen oder anderen Theaterbesucher herausfordernd.

Horwitz: Mit zwei Pausen, das bedeutet dreieinhalb Stunden Theater und eine Stunde Erholung.

Verstehen Sie, dass das vielen zu viel ist?

Horwitz: Das verstehe ich vollkommen. Es gibt Leute, denen sind zweieinhalb Stunden zu lang. Das sei jedem zugestanden. Ich habe aber noch niemanden erlebt, der gesagt hätte, unser Abend sei zu lang gewesen.

Welchen Stellenwert hat Theaterspielen in Ihrem Leben?

Horwitz: Das Theaterspielen bedeutet mir alles. Ich will nichts anderes machen. Selbst wenn ich etwas anderes tue, wenn ich eine Lesung habe oder Kafka mit einem Streichquartett präsentiere, ist das auch Theater. Das ist das, was ich zu geben habe.

Ihre Tochter arbeitet auch am Theater, hat in Düsseldorf an der Komödie gespielt und gemeinsam standen sie fürs Fernsehen vor der Kamera. Haben sie weitere Pläne?

Horwitz: Miriam ist Theater-Regisseurin. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Projekt, es ist aber noch nicht so weit gediehen, dass ich darüber reden könnte. Ein großes Bedürfnis ist es für mich, unter der Regie meiner Tochter zu arbeiten.

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