Vernissage: Keine krümelige Knabberei

Genau geplant ist die Vernissage einer Ausstellung. Hier kommen Künstler und Besucher beim Wein ins Gespräch.

Düsseldorf. Ein lauer Sommerabend, die Fenster weit geöffnet — auf mehreren Etagen im idyllischen Hinterhof der Poststraße 3: Drei Galerien eröffnen um 19 Uhr ihre neuen Ausstellungen: Rupert Pfab, Kai Brückner (TZR-Galerie) und Clara Maria Sels. Auch für Kunstinteressierte aus Köln und Essen lohnt sich die Anreise, Parallel-Eröffnungen haben sich herumgesprochen, berichten sie.

Die Besucher schlendern von einem Bild zum nächsten, stehen in Cliquen, wandern von Etage zu Etage. Die einen in schickem Kostüm, jüngere Herren in T-Shirts, Turnschuhen und kurzen Hosen. In der Hand ein Glas, Wasser oder Wein. Das gehört zum Ritual von Vernissagen. Champagner oder Sekt werden nur selten gereicht. Knabbereien sind die Ausnahme. „Das gibt zu viele Krümel“, lächelt Rupert Pfab.

Minimalistisch sind seine von Licht durchfluteten Räume auf der dritten Etage. Grau gestrichen der Betonboden. Die Wände werden vor jeder Vernissage — bis zu sechsmal im Jahr — neu gemalt. Hier reden Gäste über das Wetter und über die kleinen und großen Fantasie-Ansichten in Tusche, Bleistift und Farbpigmenten, die in Augenhöhe geschickt in Szene gesetzt sind. Großformate thronen allein an der Wand, Mittelformate vertragen Nachbarschaft zu kleineren Papierarbeiten. Mitten im Getümmel die Künstlerin, die am Weinglas nippt.

Monica Ursina Jäger (39) aus der Schweiz stellt hier das zweite Mal aus, war auf dem Stand von Pfab bei der Kölner Kunstmesse vertreten und hat bereits Sammler gefunden, die an ihren unwirklichen Industrie-Landschaften interessiert sind. Langjährige Sammler sind nur selten bei Vernissagen zu sehen. Sie kommen meist vorher oder später, zu einem verabredeten Termin. Genauso selten ist Laufkundschaft.

Am Eröffnungsabend wird schon mal etwas verkauft, erzählen die drei Händler. Doch rote Punkte unter den Bildern? Fehlanzeige. „Die haben sich überlebt“, so Pfab, tauchen höchstens noch auf Preislisten auf. Letztere liegen in mehrfacher Ausfertigung, meist mit Titel und Beschreibung von Material (Öl, Acryl, Tusche, Mischtechnik etc.) dezent im Hintergrund — auf einer Fensterbank oder auf einem Tisch. Und Kataloge? Sie werden heute nur noch im Ausnahmefall produziert, bei Retrospektiven oder umfassenden Präsentationen. Und dann den Sammlern zu Voransicht per Post geschickt.

Zwei Stunden später, 21 Uhr, stoßen immer mehr Besucher aus der Carlstadt dazu. „Die offiziellen Zeiten überziehen wir fast immer“ sagen Pfab, Brückner und Sels. Wo finden Düsseldorfer Galerien ihre Nachwuchs-Künstler? „Häufig auf dem Akademie-Rundgang“, sagt Kai Brückner. Dort hat er im Februar Pascal Schwendener entdeckt, war begeistert von seinem Mut zur kraftvollen, originellen Kombination aus Lackspray, Eddingstreifen, Klebeband und Glas. Ebenso von der dreidimensionalen Wirkung der Objekte. Und bot ihm spontan eine Ausstellung an.

Ein großes Glück für den 24-jährigen Kunststudenten, der umgeben ist von Kommilitonen. „Schön, dass du noch so verspielt und so experimentierfreudig bist“, klopft ihm ein älterer Freund auf die Schulter. Antwort des Künstlers: „An dem großen Objekt habe ich die ganze Nacht, bis sechs Uhr, gearbeitet.“

Dann pirscht sich eine Frau an die Gruppe heran, verwickelt Schwendener in ein Gespräch. „Ich komme gezielt zu Vernissagen, weil ich hier mit Künstlern sprechen kann, weniger über ihre Technik als über den Hintergrund der Arbeiten“, sagt Elke Backes. Bei Ausstellungen unbekannter Künstler, die noch vor dem Akademie-Diplom stehen, dominieren niedrige Preise. So bietet Brückner kleine Objekte (alles Unikate) von Schwendener schon ab 600 Euro an. Fazit: Ein Vernissagen-Besuch lohnt sich auch für Kunst-Neulinge.

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