Unheilig: Zwischen Rammstein und Nena

8000 Fans in der Philipshalle jubeln und schwitzen.

Düsseldorf. „Vielen Dank, das war Unheilig“ ruft der Graf nach guten 90 Minuten in die bis unters Dach gefüllte, verschwitzte und heiser gejubelte Philipshalle, bevor er selbst im schweißtriefenden Hemd und Krawatte von der Bühne rennt. Unnötig zu erwähnen, dass dies natürlich noch nicht das Ende des Konzerts bedeutet.

Nach wenigen Zugabe-Rufen kommen seine Unheiligkeit und die drei Gastmusiker zurück und verlängern ein erinnerungswürdiges Konzert um weitere 30 Minuten.

Erinnerungswürdig, da der Graf seinen Fans eigentlich nicht viel mehr bietet als eine ganz große Projektionsfläche. Er, dessen unbekannter bürgerlicher Name heiß diskutiertes Fan-Thema ist, singt mit begrenzter Stimme über emotional beliebig aufladbare Themen wie Tod, Mutter, Liebe, Schmerz etc. Sogar für Seemanns-Romantik ist Platz.

Die Bühne ziert ein stilisierter Schiffsbug, in Anlehnung an das Cover der aktuellen CD „Große Freiheit“. Wie ein Prediger von seiner Kanzel betritt er die Requisite beim Lied „Halt mich“, was die Älteren im Saal wonnevoll an Orson Welles’ Auftritt in John Hustons „Moby Dick“-Verfilmung denken lässt.

Auch musikalisch legt sich Unheilig wenig fest. Rockiges steht neben Balladeskem, Hymnisches neben Schmuse-Sound. Meist klingt es mit heftig verzerrten Gitarren, breiten Keyboard-Wänden und bretthartem Schlagzeug mächtig nach Rammstein, dann nach In Extremo, schließlich nach Nena.

Lieder wie „An Deiner Seite“, „Große Freiheit“, „Abwärts“, „Unter Deiner Flagge“ oder „Geboren um zu leben“ zielen mit schlichter Lyrik direkt aufs Gemüt und bieten genügend ideelle Hohlräume, die ein jeder im Saal nach Belieben füllen kann. In diesem weitläufigen Areal der Gefühlsduselei ist für viele Platz. Rund 8000 sind es allein an diesem Abend.

Dazwischen tanzt der Graf wie der vom Lichtstrahl getroffene Nosferatu. So entsteht unterhaltsamer, makellos umgesetzter musikalischer Breitensport, perfekt inszeniert mit Nebel, Kerzen und weiterem requisitischem Brimborium.

Hoch erfreulich gerät im Zugabenteil der Ausflug des Grafen in den Backstage-Bereich der Philipshalle, wo er in Begleitung eines Kameramanns seine Band zurück auf die Bühne holt, alles auf den großen Leinwänden live mit zu verfolgen.

Und während Mami drinnen dem Ende entgegenrockt, werden die Kinder draußen im Foyer von tätowiertem Fachpersonal im „Unheiligen Kinder Rock Land“ betreut. Auch das ist einer der besonderen Momente dieses Abends.

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