Düsseldorf Tinguelys skurriler Lunapark: Tanztheater der Wundermaschinen

Jean Tinguely war der Maschinenbauer der Kunst. Die aberwitzigen Ungetüme sind jetzt in Düsseldorf zu sehen.

"Meta-Maxi-Maxi-Utopia"- Maschine von 1987 ist ebenfalls im Kunstpalast zu sehen.

"Meta-Maxi-Maxi-Utopia"- Maschine von 1987 ist ebenfalls im Kunstpalast zu sehen.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Die Riesenmaschinen rattern, klingeln und quietschen. Manche produzieren Zeichnungen oder Musik, hier hängt ein Fuchsschwanz, dort eine Pfauenfeder. Die aberwitzigen Schrottmaschinen des Schweizer Künstlers Jean Tinguely (1925-1991) sind einfach Nonsens. Und doch haben sie auch 25 Jahre nach dem Tod Tinguelys immer den gleichen Effekt: Wer sie anschaut, der muss lachen, auf jeden Fall aber staunen.

Tinguelys „Lunapark“, so nennt ihn Kuratorin Barbara Til, ist ab Samstag im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zu erleben. In der Retrospektive „Super Meta Maxi“ mit mehr als 90 Werken wird der Weg des einstigen Lebensgefährten von Niki de Saint Phalle (1930-2002) von frühen Drahtplastiken bis zu seinen spektakulären Großinstallationen verfolgt.

„Ich bin Jean Tinguely. Meine Maschinen sind nutzlos“, pflegte der charismatische Formel 1-Fan zu sagen. Außerdem sei er kein Techniker, sondern „Poet“. So rochen seine Maschinen nicht nur nach Benzin, sondern verströmten auch mal Maiglöckchenduft. Tinguely fing an mit filigranen Drahtobjekten, die aussehen, als seien Bilder von Malewitsch oder Kandinsky zum Leben erwacht. Er ließ Müll und Lumpen wie ein absurdes Tanztheater von der Decke hängen. Seine Maschinen wurden immer gigantischer. Höhepunkt der Ausstellung ist die begehbare, 16 Meter lange und 8 Meter hohe „Méta-Maxi-Maxi-Utopia“-Maschine von 1987. Erstmals wurde sie von ihrer Heimat im Museum Tinguely in Basel nach Deutschland gebracht. Drei Wochen wurde das Ungetüm aus riesigen Rädern, Stegen und Leitern sowie einem Karussellpferd und einem Gartenzwerg, der kopfüber im Wasserbottich steckt, aufgebaut.

Aufsicht führte Jean-Marc Gaillard, Restaurator im Museum Tinguely und einst Assistent des Künstlers. „Man muss verrückt sein, um das zu tun“, sagt Gaillard über Tinguely. „Er war verrückt.“ Nur Gaillard weiß, ob in dem Wirrwarr alle Einzelteile wieder an dem Platz sind, wo sie hingehören. „Es nervt mich, wenn etwas kaputt geht, was ich damals schon wusste“, sagt Gaillard. „Dann spreche ich schon mal mit ihm.“ Gemeint ist Tinguely.

Einfach ist es mit Tinguelys skurrilen Maschinen wirklich nicht. „Es steckt überall auch ein Stück Sozialkritik drin“, sagt Kuratorin Til. So haben die Schrottansammlungen mit scharfen Ecken und Kanten auch etwas Unheimliches, fast Aggressives. Für Tinguely war auch die Zerstörung Kunst. In der Zeit des Kalten Krieges sammelte er 1960 auf den Mülldeponien und Schrottplätzen New Yorks Motoren, Stahlrohre, Fahrräder, Kinderwagen und sogar ein Klavier. Im Skulpturengarten am MoMa baute er eine Riesenmaschine daraus, die Feuer speien konnte, Klavier spielte und sich am Ende selbst zerstören sollte. Das Klavier aber ging zu früh in die Luft, die Feuerwehr musste löschen.

Mit Niki de Saint Phalle bildete Tinguely ein „Duo infernal“, das auch mal selbstgebastelte Bomben verteilte. „Haben Sie Angst vor Ihren Maschinen?“, wurde er einmal gefragt. „Nein, sie nerven mich“, antwortete er. Tinguely war hektisch, er konnte nie warten, hatte nach Worten Gaillards immer das Gefühl, er müsse überall sein, sonst könnte er etwas verpassen. Eine Herz-Operation zeigte dem Künstler, der Frauen und Rennwagen liebte, die Endlichkeit seiner Existenz.

Die Angst vor dem Tod verarbeitete er 1986 in dem düsteren Ensemble „Mengele- Totentanz“. Die Installation mit einem schaurigen „Altar“ wird in einem abgedunkelten Raum präsentiert. Versengte Tierknochen und zerstörte Landmaschinen hatte Tinguely nach einem Feuer in einem benachbarten Bauernhof für die spätere Installation geborgen. Auf einem Maschinenteil stand der Name „Mengele“. Die Firma gehörte der Familie des Todesarztes von Auschwitz, Josef Mengele.

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