Düsseldorf - Schumannfest 2016 Theaterpremiere: „1816 - Das Jahr ohne Sommer“ - Ein Blick zurück in die Zukunft

Kälte, Hunger, Flucht und Frankenstein, das spielte sich 1816 in Europa ab. „Das Jahr ohne Sommer“ tritt nun bildgewaltig in Bilk in Erscheinung.

Düsseldorf. Über den Genfer See fegt der Regen, das Gewitter grollt zwischen den Bergen, und im Boot lernen Mary Shelley und Lord Byron das Fürchten. 1816 fällt in Europa der Sommer aus, Asche verdunkelt die Sonne. Nach einem Vulkanausbruch in Indonesien zieht sich die Verschmutzung des Himmels über die halbe Welt. Die Menschen frieren, hungern und flüchten. Die Sommerfrischler Shelley und Byron kehren in ihr Schloss zurück und schreiben Schauergeschichten statt in der Sonne zu baden — „Frankenstein“ und das Gedicht „Darkness“ entstehen.

Diese Szene spielt sich zwei Jahrhunderte später in der 2000 Quadratmeter großen Halle im Boui Boui Bilk noch einmal ab. Das Düsseldorfer Theater Kontra-Punkt probt für „1816 — das Jahr ohne Sommer“. Die aktuelle Produktion von Annette Bieker und Frank Schulz ist für das Schumannfest bestimmt, dessen aktuelles Thema das Naturereignis von 1816 ist. Premiere ist am kommenden Donnerstag. Seit Dienstag glüht bereits das Schloss Benrath abends ab 22 Uhr im Schein einer gigantischen künstlichen Sonne. Noch bis Sonntag dauert dort das sinnliche Spektakel „Darkness1816“.

An diesem kalten Ort in Bilk hingegen ist das Licht blau. Nebelschwaden umwabern von der Decke hängende Folien, an denen Regen hinabrinnt oder ein Bild Turners als düstere Projektion den Betrachter in die Weltuntergangsstimmung von damals versetzt. Das Theater Kontrapunkt blickt zurück in die Zukunft, denn ein smarter Wissenschaftler führt die Zuschauer von Szene zu Szene, erörtet die Möglichkeiten technischer Erfindungen damals und heute, das Nebeneinander von Resignation und Revolution notleidender Menschen und zieht Parallelen zwischen den vergangenen Ereignissen und dem Heute.

„Die Menschen denken immer nur in sehr kleinen Zeitabschnitten“, sagt Bieker, die den Text für den rund 70-minütigen Theaterabend geschrieben hat. Sie will zeigen, wie die Gesellschaft 1816 reagierte, und fragt: „Obwohl wir heute viel mehr wissen, wie würden wir auf eine solche Klimakatastrophe reagieren? Wahrscheinlich genau so“. Wann ist unser Boot voll? Lethargie, Religion und der Kampf ums Essen — darum kreist der Abend.

Die Figur des Frankenstein, die Shelley damals unter dem Eindruck der verschwundenen Sonne erschuf, erinnert Bieker an einen modernen Prometheus, ein ungeliebter Schöpfer, der zum Monster und Mörder wird. Was fangen wir an mit unserem Fortschritt und technischen Wissen? Damals sei es die Dampfmaschine gewesen, die die Welt bewegte. Ein Spielzeug-Exemplar ihres Vaters kommt zum Einsatz. Heute weiß man viele Einzelheiten über die Entwicklung auf Erden. „Das ist aber ein bisschen wie in der Meteorologie: Es werden so viele Daten gesammelt, aber wie genau das Wetter wird, kann keiner voraussagen.“

Das Schauspiel wird begleitet von einem Chor, für den der Komponist Simon Wills das Gedicht „Darkness“ vertont hat. Der Musiker selbst spielt Posaune, wird begleitet von Klarinette und Bratsche. Gesungen wird auf Deutsch. „Das Gedicht ist in der Übersetzung viel besser, es ist zum Teil ironisch und sehr, sehr komisch“, kündigt der Engländer Wills an, während er in einen silber-glänzenden Anzug steigt. Vor Spiegeln werden die Instrumentalisten zu Unsichtbaren und fügen sich ein in diese unheimliche Szenerie, die in einer Bilker Halle 2016 Kurs auf das Jahr 1816 nimmt.

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