Stadtmuseum: „Julo Levin hat die Kinder leben lassen“

Bilder von jüdischen Schülern des in Auschwitz ermordeten Malers vergleicht eine Schau mit Werken von Picasso, Dix und Klee.

Düsseldorf. Hertas Großmutter hat blaue Augen. Aus ihnen rinnen grüne Tränen, die Wangen sind rot wie ihr Rock. Direkt neben dem Bild der Zehnjährigen hängt „Elisabeth Disch“ von Otto Dix aus dem Jahr 1923. Die Farben, der Blick, die Erscheinung — wer möchte, kann Verwandtes entdecken. Oder, wie es Robert Hartmann formuliert: „Man muss blind sein, wenn man das nicht sieht.“

Der Düsseldorfer Maler hat für die neue Sonderausstellung des Stadtmuseums 100 beeindruckende Zeichnungen ausgesucht, die jüdische Schüler des Malers und Lehrers Julo Levin in den 1930er Jahren gemalt haben. Hartmann hat sie in Gruppen aufgeteilt, in Bilder die Gesichter, Paare, Stadtlandschaften oder Tiere zeigen. Daneben hängen Werke berühmter Künstler: Picasso, Pechstein, Klee, Beuys, Léger. Zum Teil aus Beständen des Museums, zum Teil als Leihgaben. Die Kinderbilder halten dem Vergleich stand.

Das Schicksal der Kinder, die in der jüdischen Volksschule an der Kasernenstraße von Julo Levin unterrichtet wurden, erfährt man nur, wenn man in Ordnern am Eingang des Raums blättert oder im Internet Bilder und Biografien abgleicht. Die Schau will etwas anderes: Zeigen, dass diese Zeichnungen und mit Wasserfarbe gemalte Bilder künstlerisches Potenzial haben. „Sie sind nicht aus der Zeit gefallen“, nennt Hartmann das. Genau wie die Künstler auch haben diese im Schnitt zehnjährigen Kinder die Welt gemalt, die sie gesehen haben.

Wer nun Terror, Bedrohung und Verfolgung sucht, wird nicht fündig. „Das ist der Verdienst ihres Lehrers. Julo Lewin hat die Kinder leben lassen.“ Also haben sie die Großmutter gemalt, einen Jungen aus Afrika, Kinder auf Rollschuhen und den Karneval am Rhein. Auch wenn sich ihre Welt damals dramatisch veränderte, viele sich auf eine Emigration vorbereiteten. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, weiß um die Zustände in der jüdischen Schule, die Kinder und Lehrer aufnahm, die an staatlichen Schulen nicht mehr unterrichten durften. „Es war eine Notgemeinschaft und ein Schutzraum“, erklärt Fleermann. Völlig verschiedene Familienhintergründe kamen hier zusammen, mal besuchten 400 Schüler die Einrichtung, dann 40.

Ein Schutzraum auch für Julo Levin, Mitglied des neuen Rheinlandes, der von 1936 bis 1938 in Düsseldorf beschäftigt war. Danach zog er nach Berlin, 1943 wurde er in Auschwitz ermordet. Kinderkunst interessierte Levin bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Er begann zu sammeln. Vor seiner Deportation übergab er die Bilder Mieke Monjau, die Frau seines Freundes Franz Monjau. Der ehemalige Direktor des Stadtmuseums, Wieland König, konnte die Sammlung dieser nun sorgfältig restaurierten Kinderbilder Anfang der 80er Jahre kaufen. Ein wirklich großer Schatz.

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