Düsseldorf Schauspielhaus: Günther Beelitz - Ein Abschied mit Max Frisch

Dass Günther Beelitz zum Ende seiner Theaterintendanz eine Tragikkomödie inszeniert, darf gerne symbolisch verstanden werden. Premiere ist heute.

Düsseldorf: Schauspielhaus: Günther Beelitz - Ein Abschied mit Max Frisch
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Da stehen die beiden Glatzköpfe und packen das vergangene Leben an. Mal sehen, wie es sich drehen und wenden lässt, damit der Fortlauf sich ändert. Schöner wird. Zufriedenstellender. Neu vielleicht. Die Schauspieler Andreas Grothgar und Dirk Diekmann geben die Protagonisten in dem Stück „Biografie: Ein Spiel“ von Max Frisch, das heute Premiere feiert.

Mit Frisch verabschiedet sich Intendant Günther Beelitz nach zweieinhalb Jahren als Leiter des Schauspielhauses, im Sommer übernimmt Wilfried Schulz. „Ich gehe stolz aus der Tür“, sagt Beelitz. „Wohlwissend, dass man auf das, was wir erreicht haben, aufbauen kann.“ Die Tragikkomödie um den Verhaltensforscher Hannes Kürmann bezeichnet er als einen „letzten Gruß“ an das Publikum. Sicher meint er überdies seine Unterstützer. Vor allem aber wohl jene, die es dem mittlerweile 78-Jährigen nicht zugetraut hatten, einer der größten Sprechbühnen Nordrhein-Westfalens in finanziellen und künstlerischen Krisenzeiten eine gewisse Stabilität zu verleihen.

Natürlich hat er im Verlauf der Zeit über Entscheidungen gegrübelt, „aber, das macht man in meinem Alter rückblickend ohnehin“. Deswegen ist seine Wahl, gerade zum Ende seiner Intendanz Frischs Werk zu inszenieren, eben auch symbolisch gemeint. „Je älter man wird, um so mehr beschäftigt man sich mit den vergangenen Ereignissen seines Lebens. Denn die Auswirkungen einmal getroffener Entscheidungen sind in dieser Phase besonders deutlich zu spüren.“

„Biografie: Ein Spiel“ hat er schon 2013 in Bregenz inszeniert. Dass er es noch einmal anfasst, war, wie er sagt, „auch eine schauspielerische Entscheidung“. Eine typengelenkte Entscheidung. „Andreas Grothgar und Dirk Diekmann sind phänotypisch ähnlich und um Kürmann und sein Alter Ego darzustellen, passt das perfekt.“

Der todkranke Hannes Kürmann erhält die Möglichkeit, sein bisheriges Leben abzuwandeln und so seine Identität zu ändern. Dreh- und Angelpunkt ist die erste Begegnung mit seiner späteren Frau Antoinette. Die Beziehung funktioniert nicht, die Liebe zerbricht. Also hält es Kürmann für besser, die Zuneigung gar nicht erst aufkeimen zu lassen. Dem Fluss des Lebens sozusagen frühzeitig den Hahn zuzudrehen. Nur, wo ansetzen? Welcher ist der ideale Augenblick für eine Manipulation seiner Biografie? Eine Happy-End hat das Schicksal für Kürmann nicht vorgesehen.

Eine durchaus grüblerische Angelegenheit. Jedoch wird schon während der ersten Hauptprobe am Dienstagabend, die einige wenige Zuschauer anschauen dürfen, viel gelacht. „Das Ganze ist eine ernsthafte Komödie“, sagt Beelitz. „Wie es bei allen guten Komödien der Fall ist. Wenn ein Mann 15 verschiedene Anläufe braucht, um sich von seiner Frau zu trennen, ist das ein Vorgang, der in sich komisch ist.“

Dass dieses Stück des schwer eifersüchtigen Max Frisch wie viele andere seiner Werke, stark biografisch gefärbt ist, gefällt Beelitz. „Die besten Stücke sind die, welche der Autor selbst durchlitten hat.“ Bis an sein Lebensende habe die Eifersucht den Autor verfolgt. „Es gibt Menschen, die können nicht lieben, ohne den geliebten Menschen so verwandeln zu wollen, wie sie ihn sehen wollen. Eine Ehe kann so nicht klappen“, sagt Beelitz. „Ich vermag das zu beurteilen, denn ich feiere im nächsten Jahr Goldene Hochzeit.“

Kritiker sagen Beelitz Wutausbrüche und mangelndes Einfühlungsvermögen nach. Jetzt, da sich seine Amtszeit dem Ende neigt, wirkt er ausgesprochen heiter. 70 Prozent Auslastung im Schnitt, nach zunächst erschreckenden 38,7 Prozent. eine Einnahmensteigerung von 19 Prozent — ja, er könne nun aufatmen, weil das Theater aufatme. „Anfangs hörte ich häufig: Warum macht kein Youngster den Job. Wie soll sich jemand, der im Theatergeschäft unerfahren ist, in einer derartigen Krise Strukturen durchschauen und ändern können. Es ist kein Privileg, jung zu sein und keine Schande, alt zu sein.“

In Düsseldorf wird Beelitz mit Frau, Hund und 12 000 Büchern weiterhin leben. „Hier ist und bleibt unser Hauptwohnsitz. Und wenn ich in der Stadt bin, schaue ich mir jede Vorstellung im Schauspielhaus an.“

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