Rundgang der Kunstakademie: Der Siegeszug der jungen Bildhauer

Monatelang haben die 600 Studenten gehämmert, geklebt, gedruckt und gemalt. Nun zeigen sie ihre Ergebnisse.

Düsseldorf. Noch nie war ein Rundgang durch die Düsseldorfer Kunstakademie so erlesen wie diesmal. Keine triefenden Farben auf Riesenleinwänden, keine verunglückten Skulpturen. Fast alles wirkt perfekt in dieser Leistungsschau der angehenden Künstler. Die Werke in den 23 Ateliers, zu denen ab heute noch die Modelle aus den Architekturklassen hinzukommen, tragen vielfach museale Züge. Eine erstaunliche Bilanz der Jugend im Alter von 25 bis 30 Jahren ist dies.

Unter dem Bildhauer Tony Cragg als Rektor setzt sich der Trend zur Skulptur fort. In Gips, Ton, Beton, Pappe, Bronze und Kunststoff entstehen die erstaunlichsten Dinge, die diesen Rundgang zu einem Erlebnis werden lassen. Lydia Peter (Klasse Vermeiren) platziert ihre geschwungenen Gipsformen vor einer hellgrünen Wand. So verstärkt sie die Wirkung glatter und amorpher Oberflächen. Ganz klassisch, fast barock, wirkt der Raum.

Das Wort „Total“ hängt in Beton über der Tür zur Deacon-Klasse. Es stammt von der Tutorin Katharina Maderthaner und wirkt wie ein Aufruf. In den Räumen des Waliser Professors Richard Deacon, der einst mit Tony Cragg in London studiert hatte, entstehen Werke fast aus dem Nichts heraus. Nina Nowak inszeniert einen Turm, der bis unter die Decke reicht. Die Kolossalskulptur ist leichtgewichtig. Sie besteht aus bloßer Raufasertapete. 30 Rollen zu 4,99 Euro das Stück hat die junge Frau gekauft, die Tapete in Streifen geschnitten und zu Schleifen gebunden. Ihre Kommilitonin Julia Wilczewski jagt einen perfekt in Kunststoff modellierten Fuchs im Schleudergang durch eine überdimensionierte Waschtrommel. „Richard ist sehr offen, er lässt alles zu, auch das Experiment“, sagt die Studentin über ihren Lehrer.

Zu erstaunlichen Ergebnissen kommt es in der Klasse Fritsch. Hier lässt man sich Zeit beim Produzieren. Gut zwei Jahre hat Thorsten Schoth an seiner Installation gearbeitet: Ein Kolossalweib von Frau scheint aus einem Gemälde in den realen Raum eingetreten zu sein. Eine Freundin stand ihm Modell, er hat ihr sehr abstrahierte Schenkel verpasst. Eine Meisterleistung ist das türkisfarbene Korsett, das er mit Sprühfarbe aufgetragen hat. Es schnürt den Körper ein und deformiert ihn. Speckfalten schauen fast schon lustvoll heraus.

Tobias Przybilla und Kristin Wenzel haben soeben den Abschluss gemacht. Wenzel verabschiedet sich mit ihrem eigenen Konterfei als Gipsbüste, die sie mit Achatstein poliert und auf ein Holzgestell aufgebockt hat. Eine strenge Lady ist entstanden, mit starrem Blick und umgeben von weißen, toten Papiervögeln. Przybilla spielt mit falschen Säulen des amerikanischen Klassizismus, mit Gelsenkirchener Barock und italienischem Steinmosaik. Was macht der junge Mann nach seinem Studium? Er antwortet mit Galgenhumor: „Ich werde Künstler.“

In der Cragg-Klasse bekommt die Skulptur gleichsam Flügel. Kerim Cinar hat über einem Stahlgerüst ein Flügelwesen in Gips errichtet, das sich weit in den Raum wagt, als wolle sich die tonnenschwere Skulptur aufschwingen. Ironischer, doppeldeutiger geht es in der Herold-Klasse zu. Catherine Biocia hat ein Stahlrohr in den Boden gebohrt und eine Zugfeder über das Rohr gezogen. Dort baumelt nun ein Spielzeugdino, handlich verkleinert und mit einer Elektromaschine abgeflext. Eine Persiflage fast auf die hehre Kunst.

Selbst in der sehr freien Klasse des Fotokünstlers Andreas Gursky wird gebaut. Student Alexander Föllenz erklärt. „Ich will von einem zum anderen Tag etwas völlig Anderes machen können. Das geht in der Gursky-Klasse am besten.“ Föllenz baut einen Lichtraum im Foyer und eine Vitrine im Klassenraum, mit eigenem Konterfei aus Pappe, den Bart angeklebt, auf einem kleinen Styroporberg stehend, als wolle er den berühmten Romantiker Caspar David Friedrich persiflieren.

Wer Neues in der Fotokunst entdecken will, sollte sich bei Anna Lena Anton (Fritsch-Klasse) umschauen. Zu sehen sind Papierfaltungen, die aber ihr Rätsel nicht preisgeben. Es handelt sich um eine Fotomontage, die im Computer zusammengesetzt und auf einer schwarzen, matten Oberfläche abgezogen wurde. Sie wirkt wie surreale Malerei.

Ein Tipp zum Schluss: Hanna Katharina Körner hat mit Ölfarbe ein Fenster bestrichen und ist dann mit dem Schaber durch die Malmasse gegangen. Entstanden ist eine Art Kirchenfenster.
www.kunstakademie-duesseldorf.de

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