Regie ist Dostojewski nicht gewachsen

„Der Spieler“ am Schauspielhaus: Die Inszenierung zerfranst, die Schauspieler glänzen.

Regie ist Dostojewski nicht gewachsen
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Am Ende bleibt er allein — Alexej Iwanowitsch, einst Hauslehrer, dann nur noch „Der Spieler“. Die Sucht für das Glücksspiel raubt ihm sogar die letzten menschlichen Banden: Einsam wird es um den Titelhelden des Romans von Fjodor Dostojewski, der jetzt als Theaterstück im Großen Haus zu erleben. In dreieinhalb Stunden, inklusive Pause, erlebt man, wie Spieler und solche, die es noch werden wollen, am Roulettetisch jeden Kopeken verjubeln, den sie von irgendjemandem ergaunern können. Mit der Ortsbezeichnung „Roulettenburg“ deutete der russische Schriftsteller auf Baden Baden — den Ort, an dem Dostojewski selbst, wie viele seiner Landsleute, sein gesamtes Vermögen verlor. Den Roman diktierte er kurz nach dieser Sucht-Erfahrung, 1866, seiner Sekretärin Anna, die er später heiratete Der Roman entstand in knapp sechs Wochen.

Mit Kurzweil hat Martin Laberenz, Schöpfer der Bühnenfassung und Regisseur, indes wenig im Sinn. Der erst 31-jährige Theatermacher, der bereits in Leipzig Dostojewskis Großromane wie „Schuld und Sühne“ auf die Bühne hievte und dessen Inszenierungen in Berlin und im Ruhrgebiet Furore machten, ist Dostojewski erlegen. Sonst hätte er wohl stärker die Handlung auf das Spieler-Schicksal konzentriert.

Trotz bravouröser, sich verausgabender Schauspieler wie Edgar Eckert als „Spieler“ Alexej und Anna Blomeier als seine Einzig-Geliebte Polina, trotz eindrucksvoller Bilder des Star-Ausstatters Volker Hintermeier, die sich in das Gedächtnis einstanzen und trotz der zauberhaft fantastischen Kostüme von Adrian Braga Peretzki: Der feinnervige Literatur-Besessene Laberenz überfordert das Publikum. Er lässt die Handlung zerfransen, den Schauspielern allzu freien Raum für Übertreibungen und Kabinettstückchen.

Die Zuschauer: Wenn sie nicht (wie einige) in der Pause Reißaus genommen haben, schleichen nach 23 Uhr ermattet aus dem Schauspielhaus. Wer in der Pause ging, hat freilich den stärkeren zweiten Teil verpasst. In einem drehbaren Monster-Kubus — einer Mischung aus riesigem Hamsterrad und Weltraum-Tubine — laufen die Darsteller, suchen Halt und kreisen um sich selbst. Der notorisch insolvente „Spieler“ spricht wie eine aufgezogene Comicfigur über seine prekäre Lage.

Permanent unter 180 Volt steht Edgar Eckert, wenn er wie ein zappelnder Rapper seine lockeren Sprüche hyperventiliert über die Rampe bringt. Comedy und Volkstheater stehen bei diesen Solonummern Pate. Ebenso beim General (Michael Abendroth), der auf eine Erbschaft schielt, ständig über Millionen spricht — und seine Misere mit der schiefen Finanzlage des Schauspielhauses vergleicht. Na ja.

Karin Pfammatter spielt die millionenschwere Erbtante Antonida, die in Roulettenburg vom Spielfieber gepackt wird und Koffer voller Geld verliert. Pfammatter setzt als garstig kreischende, notgeile Zockerin immer wieder auf „Zero“, wirft mit den Scheinen um sich, gibt allen Affen Zucker gibt und wird am Ende nackt und bloß aus dem Kasino geworfen.

Eine überspitzte Szene von nahezu 30 Minuten, die jedoch zerfranst und ins Leere führt. Erst ganz zum Schluss, in der Paris-Szene, hebt der Abend ab, zeigt den Spieler in seiner Seelenpein: Er erkennt zwar seine Sucht, kann sie aber nicht überwinden und weiß, dass er in der Spielhölle vereinsamen wird. Hier wird’s ernst, der Ulk verstummt. Der Vorhang fällt.

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