Punker inszeniert müde Theatershow

Schorsch Kamerun führt Regie und landet einen Absturz. „Sender freies Düsseldorf“ mangelt es an künstlerischer Aussagekraft.

Düsseldorf. Als Punkrock Trend wird, dämpft Schorsch Kamerun die Lautstärke. Er hat vor fast 30 Jahren angefangen, Musik zu machen, weil er die Zuhörer mit Botschaften versorgen will. Irgendwann jedoch ändert er die Richtung, denn das kompositorische Grundgerüst des Punk wird von immer mehr Bands mit immer beliebigeren Texten abgefüllt. Kamerun und seine Band „Die Goldenen Zitronen“ persiflieren plötzlich auch Schlager und machen ernsthaft Poesie.

Die Musiker wollen in all ihrer Gesellschaftskritik echt bleiben, und Schorsch Kamerun ist einer der kompromisslosesten Verfechter dieser Haltung. Sein Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit gipfelte einmal darin, dass er seine Wohnung Obdachlosen und Drogensüchtigen zur Verfügung stellte. Er ist ein von Grund auf ehrlicher Revolutionär. Und diese Ehrlichkeit treibt ihn an, auch als Autor und Regisseur gegen den Kapitalismus, die Sensationslust und den Ausverkauf des Selbst zu protestieren. Sein neues Stück, „Sender Freies Düsseldorf“ hatte am Freitagabend im Schauspielhaus Premiere. Wieder ein redliches Werk. Jedoch fehlt es ihm an Originalität und Aussagekraft.

Im Kleinen Haus ist ein Radiosender aufgebaut. Journalisten, Musiker und Techniker arbeiten in transparenten Kabinen. Auf der Bühne wird die Aura der End-60er-Jahre verbreitet — ein bisschen Schlaghosenromantik, ein bisschen Raumschiff Enterprise. Schauspielerin Karin Pfammatter tritt im Blumenmusteranzug vor die Zuschauer. Es geht los mit einem starken Prolog, der klarsichtig den maßlosen Informationsfluss und das Dauerentertainment kritisiert: „Warum ich hier diese Lautsprecher aufbaue? Ich versuche mich zu beruhigen. Ich muss versuchen, mir neue Augen anzuschaffen, ich muss versuchen mir neue Ohren anzuschaffen. Ich höre nicht zu, ich sehe nicht hin, damit ich überhaupt wieder etwas hören und sehen kann.“

Es ist einer der wenigen wortgewaltigen Beiträge im Stück, das sich den Themen der Gegenwart widmet: Was ist gute, was böse Kommunikation? Wohin führt der ständige Drang nach Gleichförmigkeit? Warum wehrt sich niemand dagegen, dass sich die mediale Realität über die des Einzelnen legt?

Die als Konzertinstallation angelegte Inszenierung taumelt von Chanson zu gedichtähnlichen Statements und bleibt in bloßen Andeutungen über das Elend der Welt stecken. Minutenlang passiert auf der Bühne nichts. Schauspieler und Musiker setzen sich scheinbar zu einer Konferenz zusammen, gehen wieder auseinander. Eine Performance der Langeweile.

Witzig sind die Kurzfilme, die auf großen Bildschirmen gezeigt werden: Rollerblader in Ganzkörperanzügen jagen über den Platz vor den Bilker Arcaden, um die Smartphone- und Tabloid-Abhängigen in ihrem Tun zu stören. Eine Blitzaktion, die für einen Moment dem Alltag dazwischenfunkt und zum Innehalten zwingt. Von solchen Überraschungen gibt es in dem Stück leider viel zu wenige, was schade ist, denn Kamerun ist einer, der sich ständig Gedanken macht. Einer, der sich ärgert — über die Banken, soziale Ungleichheit, sinnfreien Konsum. Von diesem Ärger aber spürt der Zuschauer nichts. Die künstlerische Radikalität und Qualität eines Falk Richter, der am Schauspielhaus mit „Rausch“ einen scharfsinnigen Quertreiber hervorgebracht hat, erreicht Schorsch Kamerun nicht.

Kurz vor Schluss wird es dann arg klamaukig, wenn Schauspieler und Musiker in einer Art Spielmannszug über die Bühne ziehen, angeführt von einer riesigen Figur, die über und über mit schwarzen Girlanden behängt ist. Das hört sich lustig an, ist aber bloß albern.

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