Premiere im central Orwells „Farm der Tiere“: Schlammschlacht um Gerechtigkeit

Premiere für Orwells „Farm der Tiere“ im Central. Das Stück ist ausgelegt als Kritik am kapitalistischen System.

Premiere im central: Orwells „Farm der Tiere“: Schlammschlacht um Gerechtigkeit
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Der Boden ist von Erdreich bedeckt. Im großen Saal des Centrals am Hauptbahnhof bilden vier Zuschauertribünen ein Quadrat um die Bühne, die einer Manege gleicht. Dort tummeln und suhlen sich als Tiere verkleidete Darsteller auf dem künstlich angelegten Acker, gelegentlich aufgeschreckt von dem rüden Bauern Jones, der sein Vieh brutal ausbeutet — in Zeiten von Massentierhaltung fast schon wieder ein historisches Land-Idyll.

Doch in George Orwells berühmter Fabel „Animal Farm“ soll es ein solches natürlich nicht darstellen, sondern Gleichnis sein für Menschenunterdrückung im autokratischen System. Jetzt hatte „Die Farm der Tiere“ Premiere in der Ausweichspielstätte des Schauspielhauses.

Die improvisiert wirkenden Kostüme sind keine naturalistische Verkleidung, sondern nur Andeutungen. Die Schweine agieren mit freiem Oberkörper und hellen Stofffetzen, der Esel Benjamin trägt einen Spitzbart, Kuh Kleeblatt hält einen durchsichtigen Plastikbeutel mit Milch vor sich, und Zugpferd Boxer trägt ein stabiles Leder-Geschirr. Kulissen und Requisiten sind sparsam verwendet. Die Inszenierung von Daniela Löffner (Regie) und Claudia Kalinski (Bühne/Kostüme) erinnert etwas an die schlichten, aber sehr fantasievollen und originellen Produktionen des Jungen Schauspielhauses, die ja ihrerseits nicht nur Kinder und Jugendliche faszinieren, sondern auch reifere Theaterfreunde.

Die abstrahierende Ausstattung lässt Raum für Assoziationen und fordert gleichzeitig von den Schauspielern animalische Verwandlungskunst. Dazu gehören Tierlaute und typische Bewegungen. Die Art zu sprechen muss natürlich menschlich bleiben, auch wenn die Darsteller versuchen, ihrer Stimme eine tierische Färbung zu verleihen. In der Offenheit des Szenischen weitet sich unterdessen der Horizont für die eigene Fantasie des Betrachters. Orwell stand noch unter dem Eindruck der sozialistischen Revolution in Osteuropa. Doch in der heutigen Zeit sind die Fronten zwischen den Systemen aufgeweicht. Die Düsseldorfer Inszenierung des Orwell-Stoffs lässt sich gleichzeitig als Kommunismus- und Kapitalismus-Kritik auffassen. Denn die Unterdrückungs-Mechanismen sind miteinander verwandt.

Auf eindringliche, ja aufwühlende Weise demonstriert das Bühnengeschehen die allmähliche Aushebelung der menschenfreundlichen Verfassung, die Dominanz des Stärkeren und Schlaueren gegenüber der Mehrheit sowie das Mitlaufen einiger Schwachen, die Stärke bewundern anstatt kritische Fragen zu stellen. Die Korruption blüht, und die Schweine verwandeln sich in rosige Strahlemänner mit Schlips und Kragen, in aalglatte Politiker, die ihre unseriösen Machenschaften hinter wohlfeilen Sonntagsreden verbergen.

Knapp drei Stunden müssen es die Schauspieler im recht schlecht belüfteten Saal aushalten. Und sie schlagen sich wacker, auch körperlich. Denn die Rollen sind teilweise sportlich angelegt mit viel Bewegung im Schlamm. Besonders stark agiert Torben Kessler in der negativen Rolle des Mastferkels Napoleon. Er wandelt sich von der geschundenen, Mitleid erregenden Kreatur zum Despoten, der mit lauter Aggressivität und heimlicher Tücke ein neues Unrechtsregime aufbaut

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