NRW-Forum: Neuer Leiter bringt Selfies ins Museum

Alain Bieber führt ab April das NRW-Forum. Digitale Trends stehen bei ihm ganz vorn, in Ausstellungen will er die Künste vernetzen.

NRW-Forum: Neuer Leiter bringt Selfies ins Museum
Foto: David Young

Düsseldorf. Nackt war Alain Bieber, als er zum ersten Mal im Ehrenhof auftrat. Der neue Leiter des NRW-Forums zog sich 2006 mit 840 anderen Menschen für den Fotografen Spencer Tunick aus, anschließend schrieb der gelernte Journalist eine Reportage über die spektakuläre Kunstaktion. Heute trägt der 36-Jährige schwarzen Anzug und nennt solche Anekdoten „fun facts“. Dieser Mann kennt sich aus im Netzjargon, das will er selbstbewusst demonstrieren bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als neuer Museumschef in Düsseldorf. Bieber bedankt sich brav beim Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe, der ihn als jemanden bezeichnet, „der brennt für die Weiterentwicklung des NRW-Forums“.

Ein NRW-Forum 2.0 soll es unter ihm werden: Digitale Trends, internationale Partnerschaften, ein Museum mit Laborcharakter — das sind die Schlagworte für seine Vision. Medien, Kunst, Design, Lifestyle — alles ist mit allem vernetzt und geht alle an. Bieber ist ein Schnellredner, er rattert die Stationen seines Lebens runter: vom Geburtsort Wesel über Tübingen, Paris und Hamburg nach Straßburg, wo der deutsche und französische Staatsbürger noch bis März beim Sender Arte ein Online-Magazin verantwortet.

Dann also die Landeshauptstadt: „Sie können von mir alles erwarten, nur keine Langeweile“, erklärt er und verspricht erneut „vollen Körpereinsatz“. Er zeigt via Beamer ein paar Bilder seiner Kunstaktionen im öffentlichen Raum — Streetartmusical, Kissenschlachten. Nicht immer angemeldet, nicht immer ganz legal. Das hat den Düsseldorfer Entscheidern gefallen. Sie wollen einen Mann, der auch Menschen abseits des üblichen Kunst- und Kulturbetriebs anspricht.

Wie Bieber das machen will, erklärt er mit Blick auf seine erste Ausstellung, die er am 19. September unter dem Titel „Ego Update — die Zukunft der digitalen Identität“ eröffnet. „Düsseldorf ist Deutschlands Hauptstadt der Selfies, international ist das Platz 136“, referiert er das Ergebnis einer Studie des Time Magazin aus dem vergangenen Jahr. Die digitalen Selbstporträts sind für ihn der Ausdruck von: „Ich fotografiere, also bin ich.“ Interdisziplinäre Projekte sollen die Frage behandeln, wie das digitale Weltgeschehen in die menschliche Identität eingreift, wie es unsere Gesellschaft verändert. Dafür hat er ein Netz internationaler Kooperationspartner geknüpft, er nennt sie „Leuchtturm-Persönlichkeiten“.

Auf die Frage, wie er denn Besucher außerhalb des üblichen Publikums ins NRW-Forum locken will, antwortet er: „Über Themen, die alle interessieren — wie das Selfie.“ Was Düsseldorfs jüngster Leiter einer Kultureinrichtung dann erklärt, sind allseits bekannte Konzepte: ein Freundeskreisclub, der exklusive Angebote für Mitglieder bereithält, und die Zusammenarbeit mit den Hochschulen.

Und ja, eine wichtige Aufgaben des neuen Chefs wird wohl auch sein, Sponsoren für das NRW-Forum zu finden. Bislang steht Bieber ein Budget von einer Million Euro im Jahr von der Stadt zur Verfügung. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte sich aus der Finanzierung des Hauses zurückgezogen. Wie auch Schauspielhaus oder Oper soll das Museum zukünftig als selbstständige Institution, wahrscheinlich in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH, geführt werden, kündigt Lohe an.

Das müsse aber politisch noch entschieden werden. Klar sei, dass Bieber künstlerisch selbstständig agieren solle. Damit endet eine lange Zeit der Unsicherheit, in der viele sich für den Erhalt des erfolgreichen Konzepts des Hauses eingesetzt hatten. Ohne Angst vor Pathos erklärt Bieber, wie stolz er sei, in so einem „Museum der Herzen“ zu arbeiten.

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