Lesung: Erotische Träumereien mit Sebastian Koch

Der Schauspieler las aus Schnitzlers „Traumnovelle“ und schickte die Zuschauer in eine Nacht schöner Illusionen.

Düsseldorf. Rötliches Schummerlicht liegt über der Bühne des Opernhauses. Schauspieler Sebastian Koch sitzt an einem mit Leselampe ausgestatteten Tisch, im Hintergrund befinden sich vier Jazzmusiker an ihren Instrumenten und spielen leise einen Bühnensoundtrack zur Lesung von Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“. Die Atmosphäre im Saal ist somit trotz dessen Größe kuschelig, intim.

Der Wechsel zwischen Wortbeitrag und Musik erinnert an nächtliche Radio-Hörspiele. Die Zuschauer machen es sich auf dem Opernstuhl wie im Fernsehsessel bequem und lauschen, wie der Filmstar eine der berühmtesten und geheimnisvollsten Erzählungen des frühen 20. Jahrhunderts vorliest.

Koch, der ab 14. Februar in dem US-Actionfilm „Stirb langsam 5“ mit Bruce Willis zu sehen ist, liest die in Wien spielende Novelle mit großem Facettenreichtum. Er verwandelt sich bei wörtlicher Rede in die verschiedenen Figuren — ob Mann, ob Frau. Dabei wirkt nichts künstlich oder übertrieben. Perfekt beherrscht Koch den wienerischen Akzent, auch die Sprachfärbung des polnisch-jüdischen Unterhaltungspianisten namens Nachtigall ahmt er charakteristisch nach.

Vor allem gelingt es Koch, Spannung zu erzeugen. Das Mikrophon ist akustisch so eingestellt, dass er durchweg leise und nuancenreich sprechen kann und dabei bis in die hintersten Reihen gut zu hören ist. Gefühle und Stimmungslagen der Figuren kommen nachempfindbar zum Ausdruck.

Besonders gut gelingen die markanten Handlungshöhepunkte dieser Geschichte von den Eheleuten Fridolin, dem Arzt und seiner Frau Albertine. Sie ist jung, Mitte 20, und heiratet den zehn Jahre älteren Fridolin. Nie hat sie die Leichtigkeit des Lebens auskosten können und erträumt sich nun ihre erotischen Erfahrungen mit anderen Männern. Derweil gibt sich auch Fridolin seinen heimlichen Bedürfnissen hin. Koch liest die Geschichte mit großer dramaturgischer Spannkraft. Ja, man glaubt zuweilen, Filmszenen vor sich zu sehen.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Musik. Pianist und Komponist Hubert Nuss am Piano und das Jazz-Trio mit John Goldsby (Bass), Fabian Arends (Schlagzeug) und Uli Beckerhoff (Trompete). Ihre Musik verströmt Großstadtatmosphäre und viel Gefühl.

Nachdem Albertine ihrem Mann von ihren Traum erzählt, in welchem sie in den Armen eines fremden Geliebten Fridolins Hinrichtung beobachtet, heißt es in der Erzählung: „Wie Todfeinde liegen wir hier nebeneinander“ — darauf setzen dissonante Klänge ein, die das Gefühlschaos musikalisch illustrieren — großes Kino.

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