Konzert: Im Rausch des Violinen-Gefühls

Patricia Kopatchinskaja spielt Mendelssohn in der Tonhalle.

Düsseldorf. Sie spielt ohne Schuhe und Strümpfe, dafür mit Noten: die in Moldawien geborene Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Die Preisträgerin des Echo Klassik 2009 gilt als extravagant und ein kleines bisschen verrückt. Sie macht vieles anders als andere Geigerinnen.

Sie spüre die Musik einfach besser, sagt Kopatchinskaja über ihr barfüßiges Auftreten. Auch das Podium der Tonhalle betrat die 32-Jährige mit nackten Füßen, was aber durch das bis zum Boden reichende rote Satinkleid nicht besonders auffiel.

Die Düsseldorfer Symphoniker, die nun fest unter der künstlerischen Leitung des neuen Generalmusikdirektors Andrey Boreyko stehen, gewannen Kopatchinskaja als Solistin für das Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen 200. Geburtstag in dieses Jahr fällt.

Gegen Ende der vergangenen Konzertsaison war noch Anne-Sophie Mutter mit Mendelssohn zu hören, und Kopatchinskaja bildet zu Mutters klassisch gereiftem Musizieren einen krassen Kontrast.

Auffallend beim Spiel Kopatchinskajas ist eine sonderbare Unausgeglichenheit. Mal entlockt sie ihrer Violine Höhen von berückender Schönheit, dann mischen sich fahle Klänge ins musikalische Geschehen.

Trotz ihres natürlich-direkten Bodenkontakts wirkt die Geigerin kaum geerdet, sondern eher etwas abgekapselt. Das mag auch daran liegen, dass sie nicht, wie fast alle Solisten, auswendig spielt, sondern ihre Augen fast unausgesetzt auf die Noten richtet.

Unterdessen besitzt Kopatchinskajas Spiel starke Leidenschaft. Die Moldawierin begibt sich in einen Rausch des Gefühls. Doch die starke Subjektivität führt oft weg von den melodischen und rhythmischen Schönheiten Mendelssohns und hinab in die manchmal fade Sphäre einer spontanen Befindlichkeit.

Zudem geraten der Geigerin ein paar Melodiebögen unsauber, was die Darbietung insgesamt nur wenig brillant erscheinen lässt. Gleichwohl: starker Beifall und Bravos.

Boreyko gestaltete ein ansonsten russisches Programm mit Igor Strawinskys romantischem Divertimento "Der Kuss der Fee" und Peter Tschaikowskys Manfred-Symphonie. Das Strawinsky-Stück imitiert bewusst den Tschaikowsky-Stil, besitzt aber auch Finessen, die für den "modernen" Strawinsky typisch sind.

Mit Tschaikowskys selten gespielter Symphonie "Manfred" h-Moll op. 58 legt Boreyko gewissermaßen ein Bekenntnis ab zu den versteckten Schönheiten vernachlässigter Kompositionen. Er entlockte den Symphonikern einen leuchtenden, warmen Klang von intensiver Emotionalität.

Vor allem der Schlusssatz mit sakraler Einmischung der Orgel gelang erhebend. Ein versöhnlicher Abschluss.

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