Kleists „Der Zerbrochene Krug“ — eine Frage des Vertrauens

Brillant: „Der Zerbrochene Krug“ im Düsseldorfer Schauspielhaus.

Düsseldorf. Das Paradies ist baufällig. Gerüste verhindern das Schlimmste, Sand rieselt von oben. Einen stört das nicht: Adam, der Dorfrichter, schläft den Schlaf der Gerechten und steigt nackt und bloß herab: Unter die Menschen. Worin dieses Paradies besteht, das lässt Regisseur und Bühnenbildner David Duan Parízek offen. Ist es der Ort der Unschuld oder die Welt des Rechts?

Mit Absperrband wird die Vorbühne abgegrenzt: Nur in diesem engen Kreis wird sich Heinrich von Kleists tragikomisches Lustspiel „Der Zerbrochene Krug“ abspielen. „Tua res agitur“ soll uns das sagen, „deine Sache wird verhandelt“. Verhandelt von Frank Seppelers Adam, der kein komischer Rechtsverdreher, sondern ein hochgespannter Richter ist, trickreich, aber latent bedrohlich — auch wenn er eine absurde Prozessbeschwörung abhält.

Oder den Gerichtsrat Walter, den Florian Jahr als jungen Justizschnösel im Nadelstreifenanzug, geschniegelt für den Karrieredurchmarsch, spielt, ins Messer der falschen Aussprache des Ortes Huisum laufen lässt. Parízek gibt dem Komödienaffen durchaus Zucker. Da beschreibt Imogen Kogges Marthe Rull im eleganten Kostüm mit breiter Archäologenemphase die Herkunft des Kruges und denkt sofort daran, ihre Eve an den Gerichtsrat zu verkuppeln. Oder, es geben sich alle in der Prozesspause dem Alkohol hin und fallen übereinander her. Doch Parízeks Witz bleibt bissig, wird nie kalauernd.

Komisch ist Adam, der erst von Eve Sex zu erpressen versucht hat, sich dann aber selbst entlarvt. Für die jungen Liebenden wird es existenziell. Ihre Verletzungen, ihre tiefe Vertrauenskrise legt die Regie mit analytischer Schärfe bloß. Atemberaubend wie Eve von Ruprecht unbedingtes Vertrauen einklagt und in größter Not verzweifelt den Richter verfolgt. Am Ende gerät das junge Paar völlig unter die Räder.

Leben und Lieben, das zeigt Parízek, ist eine Frage des Vertrauens. In den Mitmenschen, ins Recht. Einer der besten Abende seit langem im Schauspielhaus: kurz, scharf und brillant gespielt.

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