Klavierfestival: Wacher Blick auf Klassiker

Rudolf Buchbinder spielt Haydn und Beethoven. Der Pianist begann seine Karriere im Alter von fünf Jahren.

Düsseldorf. Nach Alfred Brendels Abschied als Konzertpianist ist nun Rudolf Buchbinder der Altvordere unter den österreichischen Spezialisten für die Wiener Klassik. Die beiden unterscheiden sich indes gewaltig voneinander: Stand Brendel für einen geistvoll geschmeidigten Beethoven, geht Buchbinder auffallend handfester an das Sonatenwerk heran.

Beim Klavierfestival Ruhr, das der Initiativkreis ja seit Jahren auch am Rhein ausrichtet, gastierte Buchbinder nun mit spätem Haydn und frühem Beethoven in der Tonhalle.

Das Programm präsentiert die beiden Komponisten, zwischen denen immerhin ein Altersunterschied von 38 Jahren besteht, als zeitgenössische Kollegen, indem Haydns letzte und Beethovens erste Klaviersonate in Dialog treten. Beethoven widmete seine Sonatenerstlinge dem Lehrer Haydn.

Die frühen Sonaten f-Moll und C-Dur geben sich entsprechend gelehrig und erweisen in ihrer strengen Satztechnik dem Begründer der Wiener Klassik eine Reverenz. Gleichwohl blitzt Beethovens unverwechselbarer Genius auf, eine neue Musiksprache, die stellenweise ein entferntes Wetterleuchten der Romantik herbeizuführen scheint.

Gleichzeitig wächst Haydn in seiner späten Es-Dur-Sonate Hob. XVI:52 noch etwas über sich selbst hinaus. Zum ausgereiften Kompositionshandwerk treten aufregende Absonderlichkeiten, mystische Stellen und motivische Extravaganzen. Vor allem im langsamen Satz gibt es Verblüffendes wie die leisen, schnellen Tonleiterläufe, die sich fast funktionslos ins Geschehen mischen und doch zusätzliche Spannung erzeugen.

Bei Buchbinder sind solche Kleinode der Sonatenliteratur in kundigen Händen. Der Pianist hat sich bis ins Alter von 63 Jahren einen wachen und neugierigen Blick auf die Klassiker bewahrt.

Er senkt seinen Kopf nachdenklich wartend zur Klaviatur hin, bevor er einen Satz anfängt und bleibt auch beim Spielen mit den Augen nahe an den Tasten. Er wirkt dadurch wie ein besonders konzentrierter Tüftler. Zum optischen Eindruck passt auch das transparente, detailreiche Klangbild.

Umso überraschender erscheinen die Forte-Akzente. Buchbinder lässt oft die linke Hand deftig in die Bassoktaven fallen, was einen seltsam undifferenzierten Eindruck macht und zum ansonsten facettenreichen Spiel. Sobald Beethoven eine starke Dynamik vorschreibt, geht Buchbinder etwas pauschal in die Vollen.

Seine Virtuosität kann aber wieder begeistern, vor allem im Finale von Beethovens C-Dur-Sonate. Die Akkordparallelen der rechten Hand federn rasch und elegant von unten nach oben, und die Läufe perlen glänzend dahin.

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