Klassik mal locker vom Hocker

Violin-Star David Garrett begeistert in der ausverkauften Tonhalle. Auch bei düsteren Passagen schlägt sein sonniges Gemüt durch.

Düsseldorf. "Wer von euch war noch nie in einem Klassik-Konzert?", fragt der 27-jährige Geiger David Garrett ins Publikum. Ohne großes Zögern schnellen in der (seit Monaten) ausverkauften Tonhalle geschätzte 30 Finger in die Höhe. Bei der Gegenprobe sind es etwa gleich viele. Das lässt auf erhebliche Dunkelziffern schließen.

Vor anderthalb Jahren gastierte der deutsch-amerikanische Violin-Star mit dem blonden Zopf, Drei-Tage-Bart und beringten Fingern noch in der Philipshalle mit einem populären Crossover-Programm. Nun spielt er mit der Pianistin Milana Chernyavska romantische Sonaten von César Franck und Edvard Grieg. Auf dem Programm steht auch wieder sein Paradestück, die "Zigeunerweisen" Pablo de Sarasates.

Vom klassischen Podienmobiliar weichen nur ein Standmikrophon und ein Barhocker ab. Auf diesen setzt sich Garrett beim Spielen - anders als die meisten Solo-Geiger, die einen ganzen Abend hindurch stehen. Ganz locker vom Hocker spielt Garrett schwierigste Werke technisch brillant, und es scheint, als mache es ihm gar keine Mühe.

Wenn er nun mitteilt, dass ein Opus sehr schwer zu spielen sei, dann will man ihm gar nicht glauben, dass auch er hart daran arbeiten muss. Aber davon sollte man ausgehen, denn Sarasates "Zigeunerweisen" verlangen höchste Präzisionsarbeit und den bestmöglichen manuellen Trainingszustand.

Sonaten für Violine und Klavier ziehen nur sehr selten ein wirklich großes Publikum ins Konzert. Doch Garrett genießt Kultstatus. Eine bessere Werbung kann man etwa der A-Dur-Sonate von César Franck gar nicht wünschen. Garrett und die famose Pianistin vermögen, mit dem emotional dramatischen Stück zu bannen.

Auch erweist sich Garrett als aufmerksamer Duopartner, der sich nicht einfach von der Pianistin begleiten lässt, sondern ihr aufmerksam zuhört und sich an sehr schweren Klavier-Passagen auch mal nach ihrem Tempo richtet. Dass nach jedem Satz applaudiert wird, ist bei einem Konzert mit Garrett wohl unvermeidbar. Aber es stört leider auch hier die ästhetische Verbindung mehrsätzig aufgebauter Musik. Garrett selbst ist aber auf die Unterbrechungen vorbereitet und lächelt geduldig ins Publikum.

Garrett neigt zu mediterraner Feurigkeit, und zwar auch bei einem nordischen Stück wie Griegs c-Moll-Sonate op. 45. So verlegt er sozusagen das Nordkap mal eben an die Costa del Sol. Bei so viel sonnigem Gemüt im Geigenton schmelzen Eisschollen dahin und lösen sich Fjordnebel flugs auf. Die herbe Melancholie der Griegschen Tonsprache verliert sich dabei im süßlichen Sentiment. Umso überzeugender brilliert Garrett in Sarasates "Zigeunerweisen".

Beim Abhören eines historischen Tondokuments mit Sarasate selbst habe er gemerkt, dass die "Zigeunerweisen" sehr zügig zu spielen seien. Und ein entsprechendes Tempo legte er nun vor. Und an den kantablen Stellen ließ er seine Geige wunderschön singen und leuchten. Jubel wie beim Popkonzert.

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