Jüdischer Film: Viel mehr als Religion und Holocaust

Im vergangenen Jahr hat er erstmals das Paul-Spiegel-Festival kuratiert: Tobias Ebbrecht spricht im WZ-Interview über die Vielfalt des jüdischen Films.

Düsseldorf. Klappe auf, die Achte: Vom 3. bis zum 7. März läuft im Programmkino des Filmmuseums an der Schulstraße 4 die achte Ausgabe des „Paul-Spiegel-Filmfestival — Jüdische Welten“. Filmhistoriker Tobias Ebbrecht kuratiert das Festival zum zweiten Mal. Derweil hat man Glück, ihn überhaupt zu erreichen — der Mann hat viel zu tun, die nächsten Filme, u.a. für das Paul-Spiegel-Festival, werden schon gesichtet.

Herr Ebbrecht, im letzten Jahr wurde die namentliche Nennung Paul Spiegels, ehemaliger Düsseldorfer und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Titel des Festivals hinzugefügt. Warum?

Tobias Ebbrecht: Die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf, die das Festival ja auch veranstaltet, hat die Namensänderung vorgenommen. Grund dafür war, dass Spiegel sich aktiv in die Düsseldorfer Gemeinde und den Zentralrat der Juden in Deutschland eingebracht hat. Sein Engagement für Kultur und Verständigung sollte gewürdigt werden, denn dieses Profil gleicht dem des Festivals.

Konkret: Welche Intention verfolgt das Paul-Spiegel-Festival?

Ebbrecht: Es soll jüdisches Leben in all seiner Vielfalt sichtbar und präsent machen. Denn durch die Medien wird ja oft ein verengtes Bild vermittelt: Religion, Holocaust, politische Konflikte.

Womit schon die nächste Frage im Raum steht: Was macht jüdisches Kino aus?

Ebbrecht: Das Festival in Düsseldorf ist ein Publikumsfestival, es soll Juden, Filminteressierte und Neugierige gleichermaßen ansprechen. Deshalb wähle ich Filme, die mich menschlich und künstlerisch ansprechen und jüdisches Leben berühren. Es sollen aber allgemeine Themen wie Freundschaft, Begegnungen und Grenzüberschreitungen besprochen werden.

Grenzüberschreitungen — in diesem Jahr haben Sie „Grenzen und Begegnungen verschiedener Generationen“ als Thema des Festivals gewählt. Warum?

Ebbrecht: Das Interesse und die Neugier an den Geschichten älterer Generationen scheint derzeit — wie beispielsweise im Eröffnungsfilm „Oma und Bella“ — Thema im jüdischen Kino zu sein. Dort, wo 2012 während des Festivals geografische und kulturelle Grenzen thematisiert wurden, sind es heute zeitliche. Ein Film feiert in Düsseldorf Weltpremiere („Fred Spiegel — Witness of Truth), ein anderer wurde extra ins Deutsche übersetzt („Igor und die Reise der Kraniche“).

Warum ein solcher Aufwand?

Ebbrecht: Die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf legt großen Wert auf dieses Projekt — und eröffnet deshalb solche Möglichkeiten. Die Filme sollen verständlich, also in deutscher Sprache oder mit deutschem Untertitel sein, und Themen behandeln, zu denen jeder einen Bezug hat. Es soll nicht das Judentum gezeigt, sondern ebensolche Stereotype aufgebrochen werden. Denn auch das Selbstverständnis vieler Juden ist kein einheitliches. Entscheidend ist, dass Menschen während des Festivals ins Gespräch miteinander kommen.

Welcher Film ist Ihr Favorit des Spiegel-Festivals?

Ebbrecht: Das ist natürlich schwer, ich hätte leicht zwei Wochen Programm füllen können. Besonders am Herzen liegt mir „Igor und die Reise der Kraniche“, ein Film, den ich in Haifa entdeckt habe und der liebevoll die Geschichte eines Zehnjährigen erzählt, der sein Leben in die Hand nimmt — ein Familien-, Liebes-, Tier- und Landschaftsfilm. Außerdem mag ich „Call Me A Jew“ sehr, den ich erst im Dezember in Jerusalem für das Festival entdeckt habe. Hier werden Erfahrungen österreichischer Juden, die heute in Israel und Österreich leben, geschildert, nicht jedoch im Sinne einer klassischen Doku — sondern locker und humorvoll.

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