Jonathan Biss: Pianist mit viel Gefühl für leise Töne

Musiker Jonathan Biss spielt subtil und harmonisch. Ihm fehlt die Dramatik.

Düsseldorf. Musiker wie Jonathan Biss gehören auf dem Klassik-Weltmarkt zu einer seltenen Spezies. Der 30-jährige Amerikaner macht einen sachlich-nüchternen Eindruck, besitzt weder die Ausstrahlung eines Stars, noch die Virtuosität der jungen Wilden seiner Generation - aber der Pianist verfügt über einen wunderbar sensiblen Anschlag.

Wie mit Samtpfötchen bedient er die Tasten. Sein Forte wirkt nie kraftmeierisch, und am wohlsten scheint sich Biss ohnehin mehr bei leisen Stellen zu fühlen. Kein Wunder, dass er keine brausenden Bravourstücke aufs Programm setzt, sondern Musikwerke, die sich auf subtilere Weise artikulieren.

Dazu gehört Leo Janáceks düster-melancholische Sonate 1. X.1905 "Von der Straße", die über ein grausiges Geschehen, die Hinrichtung eines tschechischen Demonstranten in Brünn (Brno), im Herbst 1905 reflektiert. Wie vieles von Janácek wirkt auch diese Klaviersonate melodisch und harmonisch verschlungen. Äußerliche Dramatik scheint dieser Tonsprache fremd.

Der Gewinner internationaler Musikwettbewerbe (Bernstein Award 2005, Edison Award 2008) nimmt durch luzides, kristallklares Klavierspiel für sich ein. Solche Kunst bringt Janáceks verwobene Klangwelt ebenso zum Leuchten wie Mozarts lichteres, aber nicht weniger gehaltvolles Adagio h-Moll KV 540.

Mit solcher Sorgfalt kommt Biss ziemlich weit, stößt aber beim späten Beethoven und Schubert an Grenzen. Insbesondere die heroischen und dramatischen Passagen in Beethovens Sonate A-Dur op. 101 und Schuberts großer A-Dur-Sonate D 959 bleiben blass.

Da fehlt es dem Klavierpoeten offenbar an Kraft und Temperament. Ganz zu Hause scheint er dann wieder in der Zugabe, dem zartbesaiteten Andante cantabile aus Mozarts C-Dur-Sonate KV 330.

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