Schauspielhaus Düsseldorf „Ist das Liebe oder kann das weg?“

18 Düsseldorfer spüren ihre verlorenen Lieder auf und präsentieren einen gefühlvollen Bürgerbühnen-Abend.

Schauspielhaus Düsseldorf: „Ist das Liebe oder kann das weg?“
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Luda Liebe ist Expertin für dominante Lieder, in Glitzerjacke und roten Pumps steht die Frau mit Erfahrung und grauen Haaren im Scheinwerferlicht. Es ist ihre Show für verlorene Herzen und sie fragt: „Ist das Liebe oder kann das weg?“ Die 26-jährige Eva Marti stimmt einen Song an, der sie an ihre erste große Jugendliebe erinnert. Nach Sekunden spürt jeder im Raum: Kann nicht weg, muss bleiben.

Für diese Entscheidung braucht es nicht mal die Summ-Abstimmung aus dem Publikum, die an diesem Abend ein ums andere Mal über das Schicksal eines Liedes entscheidet — demnach kann die deutsche Nationalhymne übrigens weg und das „Auferstanden aus Ruinen“ der ehemaligen DDR sollte stattdessen über unser Land schallen.

Ein Panorama aus vielen einzelnen Lebensbildern führen die 18 Düsseldorfer mit ihrem musikalischen Bühnenstück „Verlorene Lieder“ im Central auf. Die Jüngste von ihnen ist 15, der Älteste 81 Jahre. Sie sind Laiendarsteller, einige von ihnen haben ausgebildete Gesangsstimmen, einer ist Musiker. Sie alle wollen auf die neue Düsseldorfer Bürgerbühne und haben seit Anfang Oktober dafür viel investiert und viel von sich preisgegeben. Zugehört hat ihnen Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen, der daraus einen vielstimmigen Text und ein harmonisches Ganzes geschaffen hat.

Die Menschen dieser Stadt erzählen ihre Geschichten, einige klingen nur kurz an, wie die der jungen Frau, die mit Medikamenten ihre innere Stimme zum Schweigen brachte und sie nun vermisst. „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, singt dazu wunderschön die Studentin Verena Tönjes, die in Statur und Kostüm wie ein Alter Ego der Erzählerin Dagmar Veronique Hornik erscheint. Andere Erinnerungen nehmen etwas zu viel Raum ein, wie etwa die des Opernsängers, dem als Profi die Stimme versagte, und für den gerade das zu einem Gewinn für seine Laufbahn als Heilpraktiker wurde.

Wieder andere ziehen sich in kurzen Szenen durch die rund 90 Minuten, in denen sich Spiel, Gesang und Offenbarung auf berührende, fast nie kitschige und wohltuend oft auch auf politische und ironische Weise miteinander verbinden. Ursel Fuchs etwa ist 79 Jahre, das Alter sieht man ihr an. Die Haare trägt sie zu Affenschaukeln geflochten und behauptet: „Ich bin sieben, ich habe heute Geburtstag.“ Der Vater ist da, auf Besuch von der Front. Sie bekommt ein rosa Rad geschenkt - eine der wenigen Erinnerungen, die sie an diesen Mann hat, auf den ihre Mutter Jahrzehnte wartete, von dem man sagt, die Tochter sei ihm ähnlich. Wie diese Frau ihr Lebensthema mit den Zuschauern teilt, gehört zu den ergreifendsten Momenten des Abends. Zum Schluss singt sie ihr verlorenes Lied „Lili Marleen“, begleitet am Klavier von dem großartigen Klaus-Lothar Peters, der mit einem eigenen Chanson selbst an eine Liebe seines Theaterlebens erinnert.

„Das Lied kann nichts dafür, du gibst ihm Sinn und Bedeutung“, erklärt Stephan Zehentmeier, Betriebswirt und Veränderungswegbegleiter, den Zuschauern und lässt sie im Kanon ein sinnloses Liedchen trällern.

Gemeinsam singen fühlt sich gut an, keine Frage. Dass das mit den Liedern dennoch nicht so einfach ist, wie der Ratgeber meint, weiß auch Luda die Expertin, die von ihren Monaten, Stunden und Minuten mit Roland Liebe erzählt, dem Mann mit dem vielversprechenden Nachnamen, der Leidenschaft für Vogelkunde und der alles beendenden Krebsdiagnose. War Liebe und kann nicht weg.

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