Düsseldorfer Kultur „Auerhaus“: Ist das jetzt schon das richtige Leben?

Uraufführung im Central: Der Roman „Auerhaus“ ist auf der Bühne angekommen. Trotz überzeugender Schauspieler fehlt der Fassung die Kraft.

Düsseldorfer Kultur: „Auerhaus“: Ist das jetzt schon das richtige Leben?
Foto: Thomas Rabsch

Düsseldorf. Birth — School — Work — Death. Auf diese Zeile hat es die englische Band The Godfathers 1988 gebracht. Ein Leben, vier Stationen, kein Entrinnen. Im „Auerhaus“ blicken sechs 18-Jährige mit Verachtung auf das Unvermeidliche. Auf das, was kommt. Nach der Schule, nach der Lehre, nach der Klapse. Einen Herbst und Winter lang halten sie die Zeit an, leben in einer WG auf dem Land, besingen mit Madness aus dem Kassettenrecorder ihr „Ourhouse“, klauen im Kaufhaus und betrinken sich am Küchentisch — trotzig, traurig, lebenshungrig und lebensmüde.

Bov Bjerg hat mit seinem Roman „Auerhaus“ 2015 einen melancholisch stimmenden Blick auf die 1980er Jahre geworfen und gekonnt lakonisch aus der Sicht eines Oberstufenschülers das Leben kurz vor Abitur und Bundeswehr kommentiert. Ihm ist damit ein Bestseller gelungen, den das Düsseldorfer Schauspielhaus als erstes Theater auf die Bühne bringt. Weitere Häuser folgen, ein Film ist geplant. Kein Wunder, denn Sprache und Geschichte erinnern „Tschick“, als Buch und als Stück ein Erfolg.

Wie schon bei Herrndorfs Roman hat Robert Koall, inzwischen Chefdramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus, die Theaterfassung zu „Auerhaus“ geschrieben. Er bleibt nah an der literarischen Vorlage, was Vor- und Nachteil zugleich ist. Auch die, die den Roman nicht kennen, erleben den rückblickenden Höppner, der zwar oft „quasi“ sagt, dennoch die richtigen Worte findet, wenn es darum geht, wie sich sein Freund Frieder zwischen Manie und Depression durch sein Leben quält. Dem Publikum zugewandt berichtet Schauspieler Kilian Land von diesen Monaten, der letzten Station vor dem richtigen Leben. Die anderen Darsteller springen ein, führen den Bericht fort. Der Zuschauer ist über weite Strecken eher Zuhörer, was der Aufführung die Kraft nimmt.

Stark wird es immer dann, wenn die sechs Frauen und Männer unter der Regie von Robert Gerloff ins Spiel kommen. Strickpullover mit floralen Mustern, Buntfaltenhosen, ein Golf 1 auf der Bühne und ein Terroristenfahndungsplakat an der Wand — so führen sie einem nicht nur eigene modische Verfehlungen vor Augen, sondern liefern mit Szenen wie der Bundeswehrmusterung samt Befragungsritualen passendes und unterhaltsames Zeitkolorit. Die Fragen dieser jungen Menschen irgendwo in der ländlichen Provinz, wo man sich auf der Hühnerfarm ein paar Mark dazuverdient und der örtliche Polizist die ganz Familie kennt, sind indes von fortdauernder Bedeutung.

Kilian Land und Alexej Lochmann gelingt es, die Freundschaft dieser ungleichen Männer Höppner und Frieder tragikomisch auf den Punkt zu bringen. Lochmann überdreht völlig beim Tanzen, verrenkt seinen Körper zur Musik, robbt über den Boden und schließt zärtlich eine Axt in seine Arme. Lustig und bewegend zugleich ist es, wenn Land als betrogener Liebhaber mit großer Ernsthaftigkeit darüber referiert, dass er jetzt wohl Nebenkerl von Vera ist, warum eine Party keinen Spaß macht und ob die Liebe ein Kuchen ist, der weniger wird, wenn man ihn teilt. Diese Erkenntnisse sind mit 18 nicht weniger wichtig als die Erfahrung von Frieder, dass er in dem Moment, als er die tödliche Dosis Tabletten nahm, auf einmal voll da war, ganz ohne Angst. Eine bedeutsame Zwischenzeit in der Reihe von Birth — School — Work — Death.

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