Interview: „Im Theater kann ich mehrere Tode sterben“

Peter Fricke, der heute 70 wird, war oft Bösewicht in Krimiserien. Er hat auch eine komische Seite – zu sehen im „Mustergatten“.

Herr Fricke, Sie wollten ursprünglich Pilot werden. Wie kommt es, dass Sie heute als Schauspieler auf der Bühne stehen?

Fricke: Den Beruf des Piloten finde ich auch heute noch faszinierend. Diesen schweren Stahlkoloss in die Lüfte zu steuern und sich dann oben zwischen Wolkenformationen aufzuhalten, in einem poetischen Raum, der unbegrenzt Reflexionen zulässt.

Zum Schauspiel wurde ich angeregt, weil ich in der Schule für den kleinen Prinzen ausgesucht wurde, in einem Hörspiel. Das Hörspiel hatte Thomas Mann gehört und mir einen Gruß mit Foto "an den hoffnungsvollen Peter Fricke" geschickt.

Fricke: Ja, ich habe meine Wahl nicht bereut, denn Theater ist Umsetzung ins Spontane, also lebendig und inspirierend. Ich kann mehrere Leben leben und Tode sterben und mich und meine gestaltenden Möglichkeiten mit Figuren entdecken. Auch bleibt man geistig bewegt und neugierig, stellt sich selbstkritisch in Frage.

Fricke: Das überlasse ich lieber den vielen Frauen, die da zu sehen sind. Ich hätte Lust gehabt an einem schusseligen Ermittler, der durch seine phantasievollen und unkonventionellen Methoden ans Ziel kommt, aber in Deutschland werden solche Rollen nicht auf Schauspieler geschrieben, sondern man sucht für eine fertige Figur die richtige Besetzung.

Fricke: Schlecht. Gerade sind die Modeworte "massiv" und "letztendlich", das einer dem anderen nachplappert. Und dann der Ausdruck "aller Zeiten" in dem Wunsch zur Gigantomanie, dabei ist beispielsweise der Film gerade mal 150 Jahre alt. Neuerdings gibt es einen Hang zur Proletensprache.

Und die Menschen benutzen "Scheiße" für einen heruntergefallenen Käse wie für ein abstürzendes Flugzeug oder "Wahnsinn" für Fortuna Düsseldorf genauso wie für die einstürzenden Türme in New York. Damit macht man sich sprachlos, denn man findet für eine Katastrophe keine Worte mehr. Dabei ist die deutsche Sprache so vielfältig und bildhaft.

Fricke: Das Stück wurde ganz neu bearbeitet und meine Rolle wurde auf mich zugeschrieben, zu einem Kammerschauspieler. Damit konnte ich aus meinem reichen Repertoire an klassischen Rollen zitieren, ich war in Düsseldorf "Egmont" und "Mephisto".

Fricke: Ich glaube fest an die verjüngende Kraft des Lachens, des Humors, die Dinge von verschiedenen Seiten zu sehen und sich selbst mit einzubeziehen. Die Deutschen halten oft Schadenfreude für Humor, weil sie über sich selbst nicht lachen können.

Fricke: Ich versuche - wie schon immer - den Jahren Leben zu geben und nicht dem Leben Jahre. Auch mache ich keine Fehler mehr zweimal, die Auswahl ist schließlich groß genug. Geistig bewegt und spontan zu bleiben ist gut, denn was wir in uns nähren, das wächst, sagte Goethe.

Ich fülle mich also nicht mit dem Dreckfutter des Tages und dem Geschmack der Einschaltquote. Natürlich ist die Liebe eine sprudelnde Inspirationsquelle.

Fricke: Der Schauspieler ist auf seinen Körper angewiesen und muss deshalb respektvoll mit ihm umgehen. "Leben ist lebensgefährlich" sagte Erich Kästner und meine dosierten Laster müssen drin sein, also Zigarillos, Rauchkringel und Rotwein. Gesund vegetieren ist schlechter, als genussvoll leben. Und sterben müssen wir bei beiden Lebensentwürfen.

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