Hip-Hop heißt Mitmachen

Die Hip-Hop-Szene leidet unter Mangel an Clubs und Konzerten. Aber die Musiker stellen inzwischen viel selbst auf die Beine.

Düsseldorf. Mit dem US-Rapper-Traum von Ruhm, Geld, Frauen hat die Lebenswirklichkeit von Hip-Hop-Musiker Christian "Killa" Calles wenig zu tun. Sein Studio in einem Keller an der Aachener Straße ist kaum mehr als ein Schuhkarton.

Die Tonkabine ist laienhaft mit Schaumstoff gefüttert, der Raum nebenan vollgestopft mit Mischpulten und Reglern. Den Platz dazwischen füllen ein Fernseher, eine abgewetzte Couch, ein Zwei-Platten-Herd, ein Regal mit Tassen und Maggi. Das ist Hip-Hop in Düsseldorf.

"Killa" Calles ist in der Szene der Stadt ein Urgestein - und einer ihrer hartnäckigsten Förderer. Ende der 90er ging es los in der Jugendfreizeiteinrichtung Icklack mit der Gruppe Icklack Squad und einem Sozialarbeiter, der den rappenden Jungs ein bisschen Aufnahmetechnik besorgte.

Inzwischen organisiert "Killa" Calles im Benrather Haus Spilles eigene Jam-Sessions für junge Musiker. Er ist jetzt 34 Jahre alt, Biologe. "Und frisch gebackener Doktor", ergänzt er. Auch das ist Hip-Hop in Düsseldorf.

Calles erinnert sich noch gut an die Zeit, als er und seine Freunde zu Hause bei einem Kumpel ihr erstes Studio aus Pressspanplatten zimmerten. Die Musik wanderte vom Mikro direkt ins Netz. Die Generation Hip-Hop ist auch die Generation Internet. Dort suchen die Musiker ihre Hörer.

Gerade die Düsseldorfer. "Es gibt hier sehr wenig Räume und wenig regelmäßige Konzerte", sagt Calles. Er selbst nimmt für seine Konzertreihe im Spilles eben in Kauf, dass die Veranstaltungen um 19 Uhr anfangen. Cool ist anders. Calles: "Es gibt natürlich diejenigen, die sagen, sie sind keine Jugendhaus-Rapper. Die haben in Düsseldorf aber auch keine Auftritte."

Denn bei anderen Clubs blitzt man meist ab, wenn man mit der Idee für ein Hip-Hop-Event kommt, sagt Jakob Wich alias Rapper NMZS (sprich: Nemesis). Da werde ja bloß geklaut und kaputt gemacht. Der 25-Jährige steht in einer Erdgeschosswohnung an der Krahestraße zwischen Hochbett und Schreibtisch und rappt Tracks für das nächste Album der Antilopen-Gang in ein Mikro: "Ein Opfer der Gesellschaft, ein Opfer deiner Eltern. Die andern werden größer und stärker, du wirst nur älter." Rapper-Kollege Kolja ("Koljah") Podkowik steckt den Kopf zur Tür herein: "Wollt ihr ein Bier?" Es ist drei Uhr am Nachmittag. Und auch das ist Hip-Hop.

Vor allem aber ist Hip-Hop Mitmachen. "Es gibt keine reinen Konsumenten", sagt Jakob (25). "Kaum Fans, aber viele, die selbst etwas machen." Die Liste von Künstlern ist auch in Düsseldorf lang und wird immer länger: Der Neue Westen, Jonny Beretta, Mastah Malone, The Plot, Micsness... Auf Online-Plattformen sind Rapper der Landeshauptstadt massenhaft vertreten. Mehr als in den hiesigen Clubs.

Doch es dreht sich etwas. Jakob überlegt, monatlich Freestyle-Events anzubieten. Wie die meisten Düsseldorfer Rapper ist er Lokalpatriot - hat wie viele andere schon eine Ode an die Stadt gerappt. The Plot bieten im People’s in der Altstadt inzwischen die Konzert- und Partyreihe "Gin & Juice". Im neuen Koyote Privat auf dem ehemaligen Schlachthof-Gelände finden regelmäßig Konzerte statt.

Mit "The Message" ist eine Party-Reihe des früheren Unique-Clubs zurückgekehrt - jetzt in der Berolina Bay an der Berliner Allee, der mehrfache Turntable-Weltmeister Rafik, selbst Düsseldorfer, legt dort auf. "Die Entwicklung ist seit dem letzten Jahr sehr positiv", meint Christian Calles. "Es kommt Bewegung rein."

Schließlich wollen er und der heterogene Rest der Rap-Gemeinschaft kaum mehr, als auf der Bühne zu stehen. Calles: "Es ist die Musik, mit der ich groß geworden bin. Meine Ausdrucksform." Und das soll so bleiben. "Ich bin überzeugt, dass Rap älter werden kann", sagt der 34-Jährige über die Zukunft der Szene. "In ein paar Jahren gibt es hier garantiert Hip-Hop-ü30-Partys." Er lacht. Und hofft, dass die erwachsene Subkultur in seiner Stadt dann eine Nische findet.

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