Goethes „Wahlverwandtschaften“ im Schauspielhaus

Die „Wahlverwandtschaften“ kommen im Kleinen Haus melancholisch daher. Das Stück lebt von Andreas Patton.

Düsseldorf. Charlotte bleibt allein zurück. Ihr einziges Kind Otto stirbt als Baby, ihr Mann Eduard und Pflegetochter Ottilie gehen an gebrochenem Herzen zugrunde. Das Ende ist tragisch — sowohl in Goethes „Wahlverwandtschaften“ als auch in der Bühnenfassung, die Sonntag am Schauspielhaus Premiere hatte.

Den Roman, der 1809 die Vierer-Beziehung zwischen Charlotte und Eduard, Otto und Ottilie im Chaos münden lässt, verkürzt Regisseur Oliver Reese auf einen gut zweistündigen Theaterabend.

Der zieht, wie ein gediegenes TV-Familiendrama vorüber — überwiegend in Goethes Originalsprache. Angeführt und kommentiert wird es von einer allwissenden Erzählerin (Marianne Hoika).

Leise plätschernde Filmmusik, ein von Nebelschwaden umhülltes See-Panorama, davor ein getäfelter Bootsanlegeplatz: In dieser Idylle räkeln sich Charlotte und Eduard.

Genügen sie sich allein? Während Charlotte die Zweisamkeit preist, wirkt Eduard gereizt. Er will seinen Jugendfreund Hauptmann Otto einladen. Charlotte willigt — trotz düsterer Vorahnungen — ein, möchte aber, dass auch ihr Mündel Ottilie einzieht. Schicksal, nimm deinen Lauf.

Reese lässt den Goethe-Klassiker konventionell vorbeirauschen. Ohne schräge Töne, ohne Kanten. Tempo: behutsam, manchmal ein wenig zäh. In gedämpfter Stimmung nähern sich Charlotte und Hauptmann an.

Langsam, verlegen. Heftiger und moderner sind indes die Szenen, in denen Eduard die Beherrschung verliert, je näher er Ottilie kommt. Erst im zweiten Teil gesteht Ottilie (Mareike Beykirch) ihr Liebesleid, es kommt zu Ausbrüchen. Sie bleibt bei Charlotte, während Eduard aus dem gemeinsamen Haus flieht, um in der Ferne zu leiden.

Das Stück lebt von Andreas Patton, der als Eduard alle Register eines Romantikers zieht. Ein nicht mehr junger Mann, der alles hat und sich in eine junge Frau verknallt. Kaum zu ahnen, dass daraus die Liebe seines Lebens wird. Als vielwissende Frau deutet Bettina Kerl die Charlotte.

Facettenreich und geheimnisvoll. Eine Fehlbesetzung ist Rainer Galke als Hauptmann. Um Charlottes Zuneigung nahezubringen, bedarf es bei Körperbau Ausdruck eines stärkeren Frauenschwarms. Davon gibt’s im Ensemble des Schauspielhauses einige.

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