Georg Heinzen: „Meine einzige Selbsthilfegruppe war der FC-Bayern-Hassclub“

Buchpremiere: „Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden“ wird am Freitag im Salon des Amateurs vorgestellt.

Düsseldorf. Ein Mann nutzt die letzten Tage vor seinem 50. Geburtstag, um Bilanz zu ziehen. Eine Selbsthilfegruppe soll ihm dabei helfen. Warmherzig und schonungslos zugleich blickt der Düsseldorfer Autor Georg Heinzen auf die Gruppe der „Best Ager“. In der zuweilen sarkastischen Bestandsaufnahme seiner Generation spiegelt sich auf intelligente Weise der Zustand der bundesdeutschen Gesellschaft wieder. Dabei ist Heinzen Wiederholungstäter. Noch als Student veröffentlichte er 1985 zusammen mit Uwe Koch den Roman „Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden“.

Herr Heinzen, vor 25 Jahren erschien ihr erstes Buch zum Thema Älterwerden, nun kommt ihr zweites auf den Markt. Was reizt sie so an dem Thema?

Heinzen: Es ist doch schön, alle 25 Jahre mal Stopp zu machen und über das Leben nachzudenken, über dieses Land und sich eine Figur zu nehmen, die sich dem entgegenstemmt, und sagt, was aus uns geworden ist. Es werden ja viele Themen in dem Buch behandelt, Umgang mit alten Leuten, Enttäuschung über bestimmte politische Institutionen oder über sich selbst. Vielleicht mache ich das in 25 Jahren noch mal. Sofern ich dann noch lebe.

Macht es der Jugendwahn denn schwerer, heute älter zu werden?

Heinzen: Ich habe das Gefühl, dass das Alter keinen Wert mehr hat, weil sich die ganzen Verhältnisse und Beziehungen ökonomisieren. Wir dürfen ja gar nicht alt werden, damit wir weiter sexy sind auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb kommt auf uns alle der Druck zu, möglichst lange jung zu bleiben, möglichst lange in diesem Verwertungsprozess zu bleiben.

In Ihrem Buch gibt es die schöne Szene, wo sich die Gruppenmitglieder gegenseitig etwas Positives über das Älterwerden erzählen sollen, aber kaum etwas finden. Gibt es etwas, das sie am Älterwerden mögen?

Heinzen: Ich glaube, ich werde ein Stück weit gelassener dem Leben gegenüber, weil ich das Leben erlebt habe und ein bisschen weiß, wie es läuft. Und ich übernehme die Mentorenrolle sehr gern, sei es beim Unterrichten oder dass ich Leute berate. Das ist eine schöne Funktion.

Thomas wünscht sich im Roman ein genetisches Update, um noch einmal von vorne anfangen zu können. Wäre das auch etwas für sie, neu anfangen?

Heinzen: Ich fände es ganz schrecklich, noch mal von vorne anzufangen. Ich sage ja auch im Buch, das Gute ist, man kann sich immer raus reden und sagen, „hey, ich mache das alles zum ersten Mal.“ Man kann sagen Ehe, Kinder, Job suchen, all die Dinge mach ich zum ersten Mal, und wenn es nicht klappt, okay, ich habe es zumindest versucht.

Kurz vor seinem 50. Geburtstag gründet die Romanfigur Thomas eine Selbsthilfegruppe, die „Anonymen Fortyniners“. Haben Sie eigene Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen?

Heinzen: Nein, eigentlich nicht. Die einzige Selbsthilfegruppe, die ich je gegründet habe, war tatsächlich der FC-Bayern-Hass-Club, der auch im Roman vorkommt. Das Buch hat ja auch autobiografische Anteile, meine Frau ist zum Beispiel wirklich Psychoanalytikerin. Wenn es mal Probleme gibt, kriege ich von ihr jede Menge guten Rat. So gesehen habe ich zu Hause meine eigene Selbsthilfegruppe.

Sie haben einmal gesagt, Schreiben ist immer eine Entdeckungsreise. Wie war es für sie, ihr letztes Buch in Mumbai zu schreiben?

Heinzen: Das Buch ist stark mit Mumbai verbunden. Diese Stadt hat mich inspiriert. Man kann sich dort auch in den Slums extrem sicher bewegen, und das habe ich auch ausführlich gemacht. Man sieht dort ständig ganz elementare Dinge — nackte Kinder, eine Leichenverbrennung, alles auf offener Straße. Mumbai hat mir ermöglicht, eine Distanz zu kriegen und mir selber wieder näher zu kommen. Ich hoffe, dass das Buch eine gewisse Leichtigkeit und Ironie hat. Wenn mir das gelungen sein sollte, dann liegt es an Mumbai.

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