FFT: Wo gibt es noch echte Helden?

Die Gruppe „Hiss + Boo reloaded“ beschäftigt sich mit der Orientierungslosigkeit der jungen Generation.

Düsseldorf. Sind die beiden vom Verteidigungsminister ausgezeichneten Bundeswehrsoldaten Helden? Oder die Helfer in Haiti? Oder die Sieger von DSDS 2010? Das Heldenfach ist hierzulande immer noch schwer zu besetzen. Die Theatergruppe Hiss + Boo reloaded von der Heinrich-Heine-Universität hat sich jetzt dazu in den Kammerspielen ein paar ironische Gedanken macht.

Wild jagen fünf Darsteller über den Dancefloor, während zwischen ihnen eine junge Frau mit Taschenlampe verzweifelt ihr Zuhause sucht. Orientierungslosigkeit gehört zur Gegenwartserfahrung, da helfen auch die wütend herausgebrüllten Zuschreibungen wie Generation X, Generation Praktikum, Generation Terror oder ein Posen-Catwalk nicht weiter.

Bieten die Heldenbilder, welche die englisch-spanisch-sprachige "Universal Story 2010" durchdekliniert, einen Halt? Anhand der Untersuchungen des Mythenforschers Joseph Campbell leuchten die Darsteller unter Leitung von Regisseurin Sharlene Anders das Making of des Heldentums aus und schließen es ironisch mit dem Alltag kurz.

Da treffen die Anwärter großer Taten gleich zu Beginn auf eine kläffende Hundemeute und einen Fahrkartenkontrolleur. Heroismus mit Hindernissen. Test und Kämpfe gehören aber nun mal dazu, also treten Leonardo Agudo und Mark Harrison in einer Archetypen-Quizshow als Ringer gegeneinander an. Der Sieger trifft auf Lehrmeisterin Nadine Groß, die ihm mit Taschenlampen Nachhilfe im Schwertkampf erteilt.

Und worum kämpfen Helden? Natürlich um Frauen. Die allerdings lassen sich von Womanizer Mark Harrison nicht wirklich überzeugen, sondern schicken ihn leichthändig auf die Bretter. Die sechs Studenten spielen mit hohem körperlichem Einsatz, der manchmal etwas überdreht wirkt.

Dass es auch leise geht, zeigt Nadia Zokoll. Während eine Stimme aus dem Off von einer Vergewaltigung erzählt, windet sie sich opfergleich auf der Bühne, nur um dann als Oscar-Preisträgerin triumphal in Herz-Schmerz-Dankesgestammel zu verfallen. Auch wenn manche Bilder und der Text gelegentlich etwas unscharf wirken, die Truppe beweist eine Qualität, die weit über einfaches Studententheater hinausgeht.

Gegründet wurde Hiss + Boo reloaded vor fünf Jahren von Sharlene Anders am Institut für Anglistik der Heine-Uni. "Universal Story 2010" ist inzwischen bereits die sechste Produktion. Als künstlerische Vorbilder nennt sie das stark körperlich geprägte Theater von Gruppen wie DV8/Lloyd Newson oder der International Wow Company. In Zukunft möchte die dreißigjährige Regisseurin Hiss + Boo reloaded gerne weiter professionalisieren.

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