Düsseldorferinnen in der NS-Zeit: Hommage an leise Heldinnen

Jeden Tag riskierten Düsseldorferinnen ihr Leben im Kampf gegen die Nazis. Zwei Autorinnen spürten die Unbekannten auf.

Düsseldorf. Es ist diese ernste Gleichgültigkeit in dem Blick der Frauen, die am meisten überrascht. Diese traurige Distanz, die sie ausstrahlen. Fahndungsfotos von Frauen sieht man als Normalsterblicher eher selten, und auch in den internen Akten der Polizei sind bis heute die Männer in der Überzahl. Frontal, ganzseitig und halbseitig zeigen die Aufnahmen Frauen, die bemüht sind, jede Regung zu unterdrücken. Nichts darf durchdringen, nichts offengelegt werden, sie schotten sich ab gegen das mörderische System der Nazis — so gut es nach Verhör und Folterung eben geht.

Zum ersten Mal sind diese Fotos, die aus Gestapo-Akten stemmen, jetzt in einer Neuerscheinung zu sehen, die sich mit dem Widerstand Düsseldorfer Frauen in der Zeit von 1933 bis 1945 befasst. Es sind keine strahlenden Protagonistinnen, welche die Düsseldorfer Herausgeberinnen Mareen Heying und Florence Hervé aufgespürt haben. Die Namen dieser Frauen haben nicht den Klang einer Sophie Scholl, und es braucht eine Zeit, bis man in ihrem Tun das Heldenhafte erkennt, das Teil ihres Alltags gewesen ist und deswegen vermeintlich unspektakulär daher kommt.

„Sie haben Flugblätter getippt und sie im Kinderwagen geschmuggelt, sich um die Familie gekümmert und die Männer unterstützt“, sagt Mareen Heying. Jeden Tag, riskierten sie ihr Leben, wurden eingesperrt und machten nach ihrer Entlassung weiter. Heying: „Klara Schabrod, die als erste Frau im SS-Keller an der Königsallee eingesperrt wurde, hat einmal gesagt: Hinter jedem Mann standen damals mehrere Frauen.“

Das Grundgerüst für die Arbeit bilden Interviews, die Hervé bereits 1980 geführt hat, als in Düsseldorf dem Lagerpersonal des KZ Majdanek der Prozess gemacht wurde. „Uns hat empört, dass eine der Hauptangeklagten, Aufseherin Hildegard Lächert, für die NPD für das Europäische Parlament kandidierte, ohne dass jemand dem Bedeutung beimaß. Dass sie vor Gericht auftrat, als sei sie nicht Angeklagte, sondern Anklägerin“, erzählt Hervé, die mit anderen politisch engagierten Frauen eine Entscheidung traf: „Wir wollten zeigen, dass es Düsseldorferinnen gab, die ihr Leben riskiert hatten, um Menschen wie Lächert zu verhindern.“

Geforscht hatte bis dahin niemand zu dem Thema des weiblichen Widerstands. Es gab nur das persönliche Gespräch. Die Frauen, von denen die meisten inzwischen gestorben sind, begegneten Hervé zunächst mit großer Zurückhaltung. „,Wieso ich?’ haben sie mich gefragt, ,ich habe doch gar nichts Besonderes gemacht.’“

In ihrem aktuellen Werk haben Hervé und Heying die Interviews, Auszüge aus den Berichten der Gestapo und persönliche Dokumente der Opfer geschickt verdichtet, so dass der Leser einen starken Eindruck vom Mut der Frauen erhält, von den Erniedrigungen und Qualen, denen sie ausgesetzt waren. Entstanden sind Porträts, die selten länger sind als eine Seite und doch ein klares Bild vom Tun der Frauen zeichnen.

Mathilde Eggerath (geborene Ziegler) aus Gerresheim zum Beispiel setzte sich noch im Gefängnis für die Rechte ihrer Mitgefangenen ein und rettete ein ganzes Dorf vor der Zerstörung. Helene Bibler (Blücherstraße, geb. Püster) sammelte Geld, um die Familien Inhaftierter zu unterstützen, brachte untergetauchte Widerständler unter und verteilte Flugblätter gegen die Nazis.

Nahezu alle dargestellten Frauen waren Kommunistinnen. „Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Arbeiterbewegung den größten Anteil am Widerstand hatte. Viele der Frauen stammen aus Arbeiterfamilien“, erklärt Hervé. „Sie waren ganz normale Menschen, die für ihre aufrechte Haltung ihr Leben riskierten.“

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